60 Sekunden „Sensation“ – Zschäpe kann sprechen und lügt weiter

Alle Zeitungen  meldeten es sofort: „Zschäpe bricht ihr Schweigen“. (Zeit und Focus)  „Beate Zschäpe spricht zum ersten Mal selbst“ (SPIEGEL), „Zschäpe entschuldigt sich für NSU Taten und eigenes Fehlverhalten“  (SZ)

Der Wortlaut der Erklärung ist bei NSU Watch dokumentiert. Nicht einmal ein Amtsrichter würde eine solche lapidare Erklärung, die sich nicht hinterfragen läßt, als besonders strafmildernd bewerten. Wer im Gerichtssaal war, hat also jetzt die Stimme von Frau Zschäpe gehört. Damit endete aber auch schon der Erkenntnisgewinn.

Vor Ihre persönlichen Stellungnahme hatte Frau Zschäpe wieder einmal Antworten auf Fragen verlesen lassen, alles nichtssagend, einiges dreist gelogen.

Wie wurden die Opfer des NSU ausgewählt?

Danach hatte auch das Gericht die Angeklagte in der letzten Woche gefragt, und in der Vorschau auf den heutigen Tag wurde da einiges erwartet. Zschäpe beharrte aber darauf, dazu nichts zu wissen. Wir hatten bereits nach der Einlassung vom 9.12.2015 darauf hingewiesen, wie floskelhaft das angebliche Entsetzen von Frau Zschäpe über die Morde war. Wir stellen uns eine einzige dieser Situationen vor: Nach dem ersten Mord (an Enver Simsek), von dem Zschäpe im Dezember 2000 erfahren haben will, will sie wie folgt reagiert haben:

„Ich war geschockt. Ich konnte nicht fassen, was die beiden getan hatten. Ich bin daraufhin regelrecht ausgeflippt. Ich wusste nicht, wie ich auf diese unfassbare Tat reagieren sollte.“

Und da will sie – wie auch bei den späteren Morden – nicht gefragt haben: „Warum der, wie seid ihr auf den gekommen? Wieso fahrt Ihr nach Nürnberg? Was hat der Euch getan?“ und ähnliches? Kein normal denkender Mensch wird glauben, dass Zschäpe mit den beiden Uwes und vor allem ihrem Geliebten Uwe Böhnhardt nie darüber gesprochen hat, zumindest dann, wenn sie nicht vorher ohnehin informiert war.

Was wussten Emingers über den Lebensunterhalt des Trios?

Die engsten Freunde des Trios waren die Eheleute Eminger, die Frau Zschäpe noch am 4.11.unterstützten. In ihren diversen Einlassungen hatte die Angeklagte Zschäpe erklärt, Eminger seit kurz nach dem Untertauchen (ca. Mitte 1998) zu kennen. In Chemnitz hatte er eine Wohnung für das Trio angemietet, später hat er den Hauptmieter für die Wohnungen in Zwickau vermittelt. Kontakte bestanden ca. ein bis zweimal im Monat. Ab Sommer 2006 sei der Kontakt zu Susan Eminger sehr eng gewesen. Am 16.3.2016 hatte Zschäpe sodann für den Zeitpunkt Januar 2017 erklärt:

„Auf Grund seiner Hilfeleistungen in der Vergangenheit — nämlich die Anmietung der Wohnung, die logistische Unterstützung bei größeren Einkäufen von Lebensmitteln und zuletzt meine. Begleitung zur Polizei vom selben Tag — vertrauten wir ihm nunmehr soweit, dass wir ihm von den zurückliegenden Raubüberfällen berichteten und dass dies der Grund sei, weshalb wir nicht einfach wieder auftauchen könnten. Von den Tötungsdelikten und Bombenanschlägen erfuhr er jedoch nichts“

Konsequenterweise fragte deshalb in der letzten Woche das Gericht: Haben Sie vor dem 11.01.2007 André Eminger und/oder Susan Eminger erzählt, wovon Sie bzw. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Ihren Lebensunterhalt bestritten haben? Zschäpe hatte nun tatsächlich die Stirn zu behaupten, mit Emingers nicht darüber gesprochen zu haben. Nun weiß jeder, dass spätestens im zweiten und dritten Gespräch zwischen befreundeten Personen über Beruf und Einkommen gesprochen wird. Auch die Urlaubsbekanntschaften des Trios wussten zu berichten, dass ihnen gegenüber Tätigkeiten im EDV-Bereich (Mundlos) und bei Überführung von Autos (Böhnhardt) behauptet worden waren.  Eminger soll eine Wohnung für das Trio angemietet haben, ohne sich zu erkundigen, wie denn die Miete gezahlt wird? Er soll jemanden gewonnen haben, für das Trio jahrelang Wohnungen anzumieten, ohne dem erzählen zu können, wie die Miete gezahlt wird. Deutlicher kann man wirklich nicht mehr lügen.

Taten statt Worte

Nach diversen von Zschäpes Anwalt Borchert verlesenen Antworten erfolgte dann die persönliche Erklärung von Zschäpe, die sie nicht schriftlich dem Gericht (und damit auch den übrigen Prozessbeteiligten) zur Verfügung stellte. Maximal 60 Sekunden dauerte die Erklärung. Tenor: Ich habe mich geändert, ich bin gegen Gewalt und verurteile die Taten von Mundlos und Böhnhardt. Auch dies wenig glaubwürdig. Motto des NSU war bekanntlich „Taten statt Worte“. Von diesem Motto hat Beate Zschäpe sich wohl wirklich glaubwürdig distanziert. Mindestens drei Taten könnten die Opfer des NSU von der Angeklagten erwarten, wenn sie sich tatsächlich glaubwürdig distanzieren und die Änderung ihrer Einstellung manifestieren will:

Antworten auf die Fragen der Nebenkläger,
Konkrete Auskunft zu den Unterstützern des Trios, von denen sich viele bis heute nicht distanziert haben,
Aussagen zu dem Mitangeklagten Andre Eminger, der heute noch auf dem Bauch „die Jew die“ tätowiert hat. Nicht einmal das hat die Angeklagte verurteilt.

Wohlfeil und inhaltslos war die Distanzierung. Die Inszenierung hat allerdings eines vermocht: Es wird jetzt über die Erklärung von Frau Zschäpe geschrieben, die inhaltliche Belanglosigkeit der Erklärung und die Verlogenheit Ihrer Antworten geht in der Schilderung ihres Stimmtimbres unter. Da tat es gut, dass einige Kollegen einen Beweisantrag zur Teilnahme der Angeklagten – auch ohne Uwe Mundlos und Böhnhardt an einer rechtsradikalen Schulungswoche in Niedersachsen schon im Jahre 1997 stellten. In der Antwort auf die Fragen des Gerichtes hatte sie sich wieder als naive Mitläuferin inszenieren wollen.

Eberhard Reinecke