Der Beitrag des BGH zur 10-jährigen Enttarnung des NSU

Bereits am 22.9.2021 hatte der BGH in einem Beschluss eine Anhörungsrüge von Beate Zschäpe zurückgewiesen. Online gestellt wurde der Beschluss am 4.11.2021. Am selben Tag ging auch mir auf dem Postwege der Beschluss zu. Es fällt schwer, hier an einen Zufall zu glauben.

Es kann ja eigentlich nicht so schwer sein, einen am 22.9.2021 gefassten 5-seitigen  Beschluss binnen weniger  Tage zu veröffentlichen. Also wird man davon ausgehen können, dass der Bundesgerichtshof die Veröffentlichung bewusst am 4. November vorgenommen hat. Inhaltlich geht es eigentlich nur um eine Ohrfeige gegen die Verteidigung der Angeklagten Zschäpe. „Drei ihrer Verteidiger“ – wie es im Beschluss heißt – also wahrscheinlich Sturm, Heer und Stahl hatten  eine Anhörungsrüge erhoben, d. h. die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Bundesgerichtshof gerügt. Ein solches Vorgehen ist erforderlich, wenn anschließend eine Verfassungsbeschwerde erhoben werden soll mit der die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt wird.

Gestützt wurde die Anhörungsrüge auf die Behauptung, der Bundesgerichtshof habe ohne entsprechende Hinweise seine Rechtsprechung zur Mittäterschaft geändert. Wir haben ja noch die Kommentare der Verteidigung Zschäpe sowohl zum Urteil des OLG München, wie zur Entscheidung des BGH im Ohr, dass angeblich eine Änderung der Rechtsprechung stattgefunden habe, wobei die Verteidigung für sich in Anspruch nahm, besser als der BGH beurteilen zu können, wann Mittäterschaft vorliegt. Leider wurde die Behauptung von der Änderung der Rechtsprechung auch teilweise in der Presse übernommen.

Es wird  jedem einleuchten, dass auch der Mafia Boss nicht am Tatort sein muss, um Täter zu sein. Das aber Beate Zschäpe bis in die Haarpitzen hinein und auf jede erdenkliche Weise im Trio mitgewirkt und dieses vielleicht sogar entscheidend zusammengehalten hat, ist nicht anders zu bewerten, als eine Anwesenheit an den Tatorten. Die psychologische Struktur  spricht eher dafür, dass Zschäpe sogar das bestimmende Mitglied im Trio gewesen sein muss, weil dieses sonst nicht so lange gehalten hätte. Die Filmaufnahmen über den Alltag in der Frühlingsstrasse zeigten, dass zumindest bei der Hausarbeit Zschäpe auch Böhnhardt und Mundlos Anweisungen erteilte.

Doppelselbstmord oder Totschlag und Selbstmord

Festgestellt wurde im Prozess nur, dass Mundlos zunächst Böhnhardt und dann sich selbst erschossen hat. Ob dem tatsächlich ein aktuell geäußerter Todeswunsch von Böhnhardt zugrunde lag, ist im Prinzip ungeklärt. Dass Mundlos aber vielleicht die Dreierkonstellation satt hatte, in der Zschäpe den Ton angab und mit Böhnhard liiert war, wäre immerhin auch eine mögliche Antwort auf die Frage, warum er so schnell aufgab, obwohl ein Freischießen des Weges nicht einmal ausgeschlossen war und er vielleicht Böhnhardt erschoss, ohne dass dieser darum gebeten hatte. Wer weis also, ob Zschäpe nicht auch noch „ihre Familie“ – wie sie es nannte – auf dem Gewissen hat.

Mal sehen ob man etwas von einer Verfassungsbeschwerde hört. Das erste HIndernis ist dabei bereits die besondere Vollmacht. Die bisherige Vollmacht der Verteidiger gilt nicht fort, d.h. Zschäpe müßte für eine Verfassungsgeschwerde eine gesonderte Vollmacht ausstellen und das auch noch für die Verteidiger, die sie schon während des Prozesses loswerden wollte. Vielleicht ist Zschäpe in diesem Punkt klüger als Ihre Verteidiger und will gar keine Verfassungsbeschwerde.

Eberhard Reinecke