Corona 6: Das Hilfspaket – Bedürftigkeitsprüfung für DAX-Konzerne!

Der Staat geht in die vollen und hat ein 150 Milliarden € Hilfspaket geschnürt, für große Firmen können sogar noch Kredite bis 600 Milliarden vergeben werden. Wenig ist bisher allerdings bekannt, wie die Prüfungen erfolgen, und wer welche Beträge erhält. Selbst wenn 3 Millionen Selbstständige jeweils 5000 € erhalten, ergibt es immer erst 15 Milliarden, also ein Zehntel der Gesamtzuschüsse. Bekannt geworden ist, dass TUI sofort einen Kredit von 1,8 Milliarden beantragt hat.

Noch viel weniger ist bekannt, nach welchen Kriterien die Hilfsgelder für die großen verteilt werden. In der Tat ist hier eine Bedürftigkeitsprüfung sicherlich erforderlich. Wir erinnern uns: Bei der Grundrente wurde fast ein Jahr lang über die Frage einer Bedürftigkeitsprüfung gestritten. Hören wir doch hier einmal in die Äußerungen der Gerechtigkeitsfanatiker hinein:

Ohne Bedürftigkeitsprüfung würde die Grundrente zur Gießkanne, argumentieren Union und Arbeitgeber: Vom Geld der Beitrags- und Steuerzahler würden dann auch und sogar mehrheitlich Rentner profitieren, die finanziell nicht darauf angewiesen seien. Das werfe alle Prinzipien des Renten- und Grundsicherungssystems „über den Haufen“, sagt Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Und der Kompromissvorschlag, für die Grundrenten-Gewährung nur das gemeinsame Einkommen zu berücksichtigen, das Vermögen der Rentner aber außen vor zu lassen, führt aus der Sicht vieler in der Fraktion auch nicht weiter.

Satte Gewinne der Dax Konzerne

Natürlich darf auch der Rettungsschirm für die Großkonzerne nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden. Wir hoffen hier auf klare Äußerungen der Kämpfer gegen die Gießkanne. Werfen wir aber zunächst einmal einen Blick auf die Bedürftigkeit: Nach Veröffentlichungen in der FAZ ist davon auszugehen, dass allein im Jahre 2018 die DAX Konzerne 95 Milliarden€ Gewinn gemacht haben. Für das Jahr 2019 stehen die endgültigen Zahlen offenbar noch aus, in einem Artikel im Focus ist einerseits von gesunkenen Gewinnen, aber absolut – wahrscheinlich wegen einer anderen Berechnung –  von 105 Milliarden€ Gewinn die Rede. Ich will das alles nicht auf die Goldwaage legen, fest steht aber offensichtlich, dass die DAX Konzerne in den letzten Jahren riesige  Gewinne gemacht haben. Einer der Gründe, die dem normal Sterblichen erklärt werden, warum die Konzerne so hohe Gewinne machen müssen, ist die Vorsorge für schlechte Zeiten. Dafür müssten in guten Zeiten Rücklagen geschaffen werden. Nun sind die schlechten Zeiten da, und wir wollen doch hoffen dass die DAX Konzerne (natürlich auch andere Großkonzerne) für diese Zeiten vorgesorgt haben und deshalb im Prinzip auch keine größeren staatlichen Hilfen brauchen. Seit dem 17. Jahrhundert (also mit dem Aufkommen des Kapitalismus) wird den unteren Schichten der Gesellschaft besonders gerne die Fabel von der Ameise und der Grille (von Jean de la Fontaine) erzählt, um sie zur Arbeit und zum Schaffen von Rücklagen für schlechte Zeiten anzuhalten. Hoffen wir, dass wir nun den Vorständen der DAX Konzerne nicht die Fabel neu erzählen müssen.

Vermögensanrechnung bei Hartz IV

Am anderen Ende der Einkommensskala stehen die Personen, die jetzt Hartz IV beantragen müssen. Meine Kollegin Lucia Alfonso hatte schon darauf hingewiesen, dass die Regelungen zur Vermögensanrechnung äußerst unklar sind. Sie hatte dort geschrieben:

Sofern der Antragsteller bzw. die Antragstellerin also im Antrag erklärt, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, so wird dies vermutet und nicht überprüft. Vermögen wird nach der gesetzlichen Regelung also nur geprüft, wenn es erheblich ist. Was bedeutet aber „erheblich“ im Sinne dieser Übergangsregelung? Es dürfte sich hier um einen unbestimmten Rechtsbegriff handeln, der auszulegen ist. Die bisherigen Vermögensgrenzen können nicht gemeint sein, denn dann wäre die Regelung überflüssig und sinnentleert. Bleibt es also dem Einzelnen überlassen, was er oder sie unter erheblichem Vermögen versteht?

Hier bleibt die Umsetzung in der Praxis abzuwarten. Möglicherweise erfolgt eine spezielle Abfrage seitens der Jobcenter, die die Antwortmöglichkeiten einschränkt. Vielleicht erfolgen konkretere Vorgaben innerbehördlich durch Durchführungsanweisungen, die den unbestimmten Rechtsbegriff näher ausgestalten.

Was ist also ein erhebliches Vermögen, das wohl höher als das bisher anrechnungsfreie Vermögen sein muss. Klare Regeln dazu gibt es nicht, da bekanntlich für die große Masse der Bevölkerung, die so gut wie nichts haben, schon 10.000,00 € erhebliches Vermögen sein kann. In höheren Kreisen werden vielleicht 100.000 € zur Portokasse gehören. Die einzige gesetzliche Regelung, auf die man sich vielleicht berufen kann, ist die schon seit 1997 abgeschaffte Vermögensteuer. Damals musste sie entrichtet werden wenn das Vermögen pro Person im Haushalt über 120.000 DM also ca. 62.000 € lag. Wir wissen nicht, ob das mit dem „erheblichen Vermögen“ gemeint ist, oder ob am Ende doch nach alten Regeln überprüft wird. Wir werden dann feststellen ob bei Hartz IV oder bei den Dax-Konzernen großzügig abgerechnet wird.

Ein Herz für Hedgefonds?

Große Empörung löste die Ankündigung von Adidas und anderen aus, ihren Mieten nicht mehr zu bezahlen. Die Justizministerin behauptete:

Selbstverständlich müssten Mieter auch weiter Miete zahlen. Ihnen könne lediglich für einen begrenzten Zeitraum nicht gekündigt werden, falls sie infolge der Krise in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten gerieten.

Wir hatten hier bereits darauf hingewiesen, dass es durchaus juristisch vertretbar ist, bei einer staatlichen Schließung von Geschäften von einer geminderten Miete auszugehen. Das würde dazu führen das die Mietzahlungen nicht nur verschoben sondern tatsächlich zeitweise ganz oder teilweise eingestellt werden könnten.

Dass die Vertreter der kleinen Hauseigentümer (nur diese sind zumeist in Haus- und Grundbesitzervereinen organisiert) das Verhalten von Adidas als Vorwand nahmen um insgesamt gegen das gesetzliche Moratorium bei den Mieten Stimmung zu machen, ist nicht verwunderlich. Doch das arme alte Mötterlein, dass dringend auf die Miete von Adidas, Deichmann, Saturn und anderen angewiesen ist, existiert nicht. Die Immobilien, in denen sich diese Geschäfte befinden, gehören regelmäßig großen Grundstücksgesellschaften, (Hedge)fonds oder Versicherungsgesellschaften. Es gibt keinen Grund, mit diesen besonderes Mitleid zu haben. Im Gegenteil: Geht es um die Frage, wer die Kosten der Krise zu tragen hat, so kann man nicht so tun, als seien die Mieten auf jeden Fall zu zahlen, wie natürlich auch die Kreditraten an die Banken und als müssten sich die ganzen anderen Fraktionen des Kapitals und vor allem die große Masse der Bevölkerung den Schaden teilen. Gerade wenn man durch die staatlichen Maßnahmen die Geschäftsraummieten als gemindert ansieht, hätten im ersten Schritt auch die Grundeigentümer ihren Anteil an den Krisenkosten zu zahlen. Warum sollen sie nicht auch bei dem Staat einen Antrag stellen, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen, damit auf diesem Weg geklärt wird, ob und in welcher Höhe staatliche Ausgleiche gezahlt werden. Andersherum: Warum sollen aus dem Rettungspaket Entschädigungen an Grundeigentümer oder Mieter gezahlt werden, die sich auf unanständig hohe Mieten geeinigt haben. Schön wär doch folgendes Modell: Der Staat übernimmt nur die angemessenen Mieten, den Rest des Schadens teilen sich in diesen Fällen der Eigentümer und der Großgewerbemieter.

Verhindert werden muss noch etwas anderes: Wir wissen aus den cum-ex Geschäften, dass es Kapitalisten besonders lieben, einmal zu zahlen und den Betrag zweimal erstattet zu bekommen. Dies sollte allerdings nicht auf den Mietmarkt übertragen werden. Wenn auf der einen Seite die Ladenmieten nicht gezahlt werden, dürfen sie auf der anderen Seite bei der Berechnung des Ausgleiches, der vom Staat verlangt wird, nicht auch noch mal in die Rechnung eingestellt werden.

Herr/Frau Staatsanwält/in übernehmen sie –
Einschreiten gegen Wuchergeschäfte.

„Die Bourgeoisie „hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohlerworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt.“ (Marx/Engels-Manifest der Kommunistischen Partei)

Ich werde demnächst hier noch zur Einschränkung der Rechte in der Corona Krise Stellung nehmen, muß aber zunächst einmal feststellen dass die „eine gewissenlose Handelsfreiheit“ gar nicht eingeschränkt wird. Wenn nunmehr Gesichtsmasken, die ursprünglich einmal 0,45 € pro Stück kosteten, für 14 € verkauft werden, so soll das ein Ergebnis von Angebot und Nachfrage sein. Auch für die dies nicht glauben wollen: Angebot und Nachfrage es kein Naturgesetz sondern eine gesellschaftliche Konvention, die man brechen kann und die sogar für solche Fälle bereits gebrochen ist. Es verwundert, dass – soweit bisher bekannt geworden ist – keine Behörde oder Staatsanwaltschaft sich § 4 des Wirtschaftsstrafgesetzbuches angesehen hat, in dem es heißt:

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig in befugter oder unbefugter Betätigung in einem Beruf oder Gewerbe für Gegenstände oder Leistungen des lebenswichtigen Bedarfs Entgelte fordert, verspricht, vereinbart, annimmt oder gewährt, die infolge einer Beschränkung des Wettbewerbs oder infolge der Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung oder einer Mangellage unangemessen hoch sind.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro geahndet werden.

Selbst wenn das ganze keine Strafvorschrift ist sondern lediglich eine Bußgeldvorschrift, ist daran auch eine Einziehungsmöglichkeit (Beschlagnahme) (§ 7) gekoppelt, der Gewinn kann abgeschöpft werden (§8)

Das hat auch erhebliche zivilrechtliche Folgen. Ein solches Geschäft verstößt gegen ein gesetzliches Verbot und ist deswegen nichtig (§ 134 BGB). Darüber hinaus ist es offensichtlich sittenwidrig (§ 138 Abs.1 BGB) und wucherisch (§ 138 Abs. 2 BGB). Auch deswegen ist das Geschäft nichtig. Die Nichtigkeit führt dazu, dass das Geschäft auf das zulässige Maß – in unserem Fall also auf 0,45 € pro Maske reduziert werden kann. In der Praxis heißt das, die Masken zu nehmen und dann nur den reduzierten Preis zu zahlen, oder falls die Vorkasse erpresst wurde, anschließend die zu viel gezahlten Beträge zurückzufordern.

Man sollte zumindest einen Teil der Polizeibeamten, die heute vor allen Dingen überprüfen, ob eventuell irgendwo mehr als zwei Personen zusammenstehen, dafür einsetzen, diejenigen aufzusuchen, die derartige Wucherpreise verlangen, und sämtliche dort gefundenen notwendigen Mittel zur Gesundheitsversorgung einfach zu beschlagnahmen. Eines eigenen Gesetzes, wie es jetzt in NRW verabschiedet werden soll, bedarf es dafür eigentlich nicht. Woher kommen aber die Beißhemmungen zur Durchsetzung der schon bestehenden Gesetze?  Oh ja – man mag das schreckliche Wort kaum aussprechen – das ist ja fast ein bißchen Planwirtschaft, das rüttelt an dem ehernen Gesetz von Angebot und Nachfrage. Viele Rechte kann man einschränken aber nicht die „gewissenlose Handelsfreiheit“. Vielleicht ja doch?

Eberhard Reinecke