Mundlos bei einem V-Mann beschäftigt?

Am 6.4.2016 meldete die ARD im Rahmen des Filmes „Der NSU-Komplex“ (hier in der Mediathek) dass Uwe Mundlos und eventuell Beate Zschäpe im Betrieb eines V-Mannes beschäftigt waren. Dazu haben eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen von der Nebenklage ein Presserklärung abgegeben, der wir uns anschliessen und die wir im folgenden dokumentieren:

Vom Bundesamt für Verfassungsschutz betreutes Morden?

Top-V-Mann Ralf Marschner (alias „Primus“) soll nach dem „Untertauchen“ engen Kontakt zum Trio und zum Angeklagten André Eminger gehabt haben.

Wie die ARD gestern berichtete, soll Uwe Mundlos in der Zeit im „Untergrund“ in Zwickau für die Baufirma des V-Mannes Marschner gearbeitet. Die Hinweise, die die Journalisten Dirk Laabs und Stefan Aust auf die Verbindung zwischen Marschner und Mundlos gebracht haben, finden sich auch in den Ermittlungsakten. Wir haben bisher trotz umfangreicher Anträge immer nur eingeschränkte Akteneinsicht durch den Generalbundesanwalt erhalten und wissen deshalb nicht, ob diese Spur vom BKA und dem Generalbundesanwalt verfolgt worden ist oder nicht.

Wir fordern umfassende Aufklärung der Rolle von Ralf Marschner, dem Zwickauer Neonazi und V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), im NSU-Komplex!

Schon die bisherigen Ermittlungen hätten es erfordert, dass Ralf Marschner als Zeuge in der Anklage benannt wird. Jedoch hat der Generalbundesanwalt systematisch V-Männer und den Verfassungsschutz aus der Anklage herausgehalten, so auch Ralf Marschner,• obwohl drei ehemalige Angestellte von Marschner gesagt haben sollen, sie würden Beate Zschäpe aus dem Geschäft von Marschner kennen,
• obwohl ein anderer Zeuge aussagte, er habe Marschner mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1998 bei einem Fußballturnier gesehen,
• obwohl Marschner mit dem Angeklagten André Eminger und Vertrauten des Trios seit vielen Jahren befreundet gewesen sein soll,
• obwohl ein Freund und Angestellter von Marschner schräg gegenüber der Wohnung in der Zwickauer Polenzstraße gewohnt haben soll, in der das Trio rund sieben Jahre lebte und
• obwohl Marschner enge Kontakte zu Blood and Honour und dem Unterstützernetzwerk der Drei aus Chemnitz gehabt haben soll, wie z.B. zu Thomas Starke, Jan Werner und Hendrik Lasch.Wir als Nebenklagevertreterinnen und -vertreter haben in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht in München immer wieder ausführlich dargelegt, dass es ein Netzwerk aus Neonazis von „Blood & Honour“ und deren Umfeld war, das das Trio bei seinem Leben im „Untergrund“ unterstützt hat, und dass es V-Männer aus diesem Netzwerk waren, die das entsprechende Wissen über die Drei an die Nachrichtendienste weitergegeben haben. Die Aufklärung der Rolle dieses Netzwerkes und der Umgang der Nachrichtendienste mit diesen Informationen – wie dem Vernichten von Akten im Bundesamt für Verfassungsschutz im Jahr 2011 im Rahmen der sog. Operation „Konfetti“ – wird bisher weitgehend verhindert.

Die neuen Recherchen der ARD zwingen nun zu einer Richtungsänderung.

Wir fordern deshalb den derzeit laufenden Bundestagsuntersuchungsausschuss auf, aufzuklären, welches Wissen über das Trio und den NSU der V-Mann Marschner an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet hat und warum seine V-Mann-Akten bereits im Jahr 2010, lange vor der fälligen Zeit, vernichtet worden sind.Wir fordern von dem Bundesamt für Verfassungsschutz die „Rekonstruktion“ der vollständigen V-Mann-Akte von Marschner und vom Generalbundesanwalt die Beiziehung dieser Akten im Rahmen des Verfahrens vor dem OLG München und die Gewährung von Akteneinsicht.Dieser Forderung werden wir in der nächsten Woche vor dem OLG München mit einem Antrag u.a. auf Ladung von Marschner, seines V-Mannführers beim Bundesamt für Verfassungsschutz und auf Beiziehung von Akten Nachdruck verleihen.
Basay, Rechtsanwältin
v.d. Behrens, Rechtsanwältin
Clemm, Rechtsanwältin
Dr. Elberling, Rechtsanwalt
Fresenius, Rechtsanwalt
Hoffmann, Rechtsanwalt
Ilius, Rechtsanwalt
Kuhn, Rechtsanwalt
Lunnebach, Rechtsanwältin
Scharmer, Rechtsanwalt
Dr. Stolle, Rechtsanwalt