Abtrennung – zur Zeit nicht. Was wird aus den Opferrechten?

Am dritten Verhandlungstag warf Richter Götzl plötzlich die Frage nach der Abtrennung des Komplexes Keupstrasse auf. Er griff damit sowohl den Verlegungsantrag der Verteidigung in einen anderen Saal auf (u.a. wegen der vielen Nebenkläger), wie aber auch die Profilierungsversuche eines Nebenklageanwaltes, der nicht nur angeblich weitere 75 Opfer ermittelt hatte, sondern offenbar auch meinte seinen Antrag gleich an die Presse weiter geben zu müssen.

Die weiteren Konsequenzen des Antrages hatte er wohl nicht bedacht. Aber es ist immer noch so: Das wichtigste Arbeitsmittel des Anwaltes bleibt sein Kopf und nicht der Rechner. Der Algorithmus des menschlichen Gehirn zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nur mechanisch  denkt, sondern auch weitergehende Kosequenzen des eigenen Handels berücksichtigen kann. Leider stellten nur wenige Presseorgane hinreichend klar, dass die Abtrennung des Komplexes Keupstrasse einer Einstellung gleichkommt, nicht etwa nur die Verschiebung in ein weiteres Verfahren.  Dazu gab es Presseerklärungen der Kollegen Scharmer und Hoffmann.

Am viertenVerhandlungstag teilte das Gericht dann mit, dass (zumindest) „zur Zeit“ eine Abtrennung nicht beabsichtigt sei. Auch wenn dies Erleichterung auslöste, haben wir es für erforderlich gehalten, mit weiteren Kollegen für Freitag eine Pressekonferenz in Köln einzuberufen, die rege besucht war. Aus der Vielzahl der Berichte sei der Kölner Stadtanzeiger, k-report köln und der WDR Lokalzeit ( ab Min. 7 – abrufbar bis zum 24.5.2013) genannt.

Was wird aus den Opferrechten?

Nun ist im Verfahren aber klar geworden, dass in der Tat das jetzige Recht zur Sprengung eines Verfahrens führen kann. Legt man z.B. die beabsichtigten aber gescheiterten Anschläge auf Bahnhöfe zu Grunde, oder stellt sich einen Bombenanschlag in einem Fussballstadion vor, so könnten schnell hunderte wenn nicht tausende als Nebenkläger in Betracht kommen. Der einzige Fall, in dem dies hätte bereits praktisch werden können, waren die Verhandlungen beim OLG Hamburg zu den Gehilfen auf die Anschläge vom 11.9.2001. Damals hätten schon die Angehörigen von 3300 Opfern sich dem Verfahren als Nebenkläger anschliessen können. Allerdings traten nur wenige Nebenkläger auf, einer gleich in Vertretung von insgesamt 1200 Personen. Dies zeigt auch schon etwas die mögliche Entwicklung. Es wäre sicherlich völlig verkehrt, den erreichten Stand des Opferschutzes generell zurückzuschrauben. Hinweisgebend könnte dagegen sein, ähnliche Regelungen wie die zivilrechtlichen Vorschriften über Musterklagen  auch für  die Nebenklage zu entwickeln, wenn also hinsichtlich eines Tatvorwurfes eine Vielzahl von Personen nebenklageberechtigt sind. Es wäre dann denkbar, dass das Gericht nur eine begrenzte Anzahl von Nebenklägern zulässt, die dann in dem Verfahren aber ergehenden Entscheidungen durchaus auch verbindlich für andere Nebenkläger sind. Sicherlich würde das Gericht unter solchen Umständen regelmäßig Angehörige von Getöteten bzw. die Verletzten selbst zulassen, nicht aber unverletzte Personen, die theoretisch durch den Bombenanschlag auch Opfer hätten werden können.Möglicherweise beschränkt das Gericht dann auch die Zahl der beigeordneten Anwälte und die Nebenkläger selbst haben nicht notwendig ein Anwesenheitsrecht in der Hauptverhandlung. Für den Rest des NSU-Verfahrens wird man aber auf die Einsicht der Beteiligten setzen müssen.

Eberhard Reinecke