Die Nebenklage ist nicht so gespalten, wie Frau Friedrichsen behauptet – (oder sich wünscht?)

Erklärung der Rechtsanwälte Yavuz Narin und Eberhard Reinecke zu dem Artikel „Prozess mit Schlagseite“

Gisela Friedrichsen resümiert in der Welt online vom 4.8.2017 in dem Artikel: „Prozess mit Schlagseite“ den Verlauf des NSU-Verfahrens und dabei auch die angeblichen Meinungsunterschiede unter den Nebenklägern. Die beiden unterzeichnenden Nebenklagevertreter kommen in dem Artikel gut weg, wenn Frau Friedrichsen schreibt: „Anwälte wie Hardy Langer oder Yavuz Narin und Eberhard Reinecke arbeiteten wertvolle Hinweise auf das Tun und Treiben der Angeklagten heraus.“ Damit soll offenbar eine Differenz zu den Nebenklagevertretern herbeigeschrieben werden, „die vor allem eine Bühne zur Diskriminierung des Rechtsstaats“ suchen. Uns sind diese Kollegen bisher nicht begegnet. Wir haben in dem Verfahren nur zwei Arten von KollegInnen kennen gelernt: Die die Akten kennen und ihren Teil zur Aufklärung – auch zur Aufklärung über „Missstände bei den Geheimdiensten und das Versagen der Strafverfolger“- beigetragen haben und diejenigen, die „viele Prozesstage untätig absaßen“ und teilweise ihre Untätigkeit damit rechtfertigten, dass der Prozess nicht ausgedehnt und angeblich „politisiert“ werden dürfe. Mit den ersteren  haben wir immer eng zusammengearbeitet. Gerade die KollegInnen, die in einigen – durchaus wichtigen – Fragen, die Auffassung der Bundesanwaltschaft nicht teilen (was im Übrigen auch für uns gilt), bestachen durch Aktenkenntnis, Aufarbeitung der Verhandlungen und (gut organisierte arbeitsteilige) Vorbereitung auf die Vernehmungen.

Frau Friedrichsen schreibt weiter – natürlich auch hier ohne jeden Beleg und gegen unsere Kenntnis: „Unterstützung der Opfer? Kaum Thema bei jener Gruppe von Anwälten, die vor allem eine Bühne zur Diskriminierung des Rechtsstaats sucht.“ Und wie geht sie selbst mit den Opfern um: „…und verschleiert zum Beispiel, dass anfängliche Ermittlungen etwa wegen Drogengeschäften oder Geldwäsche der Ermordeten in einigen Fällen nicht völlig absurd waren“ Aha: nicht „völlig“ absurd, und „normal absurde“ Ermittlungen sind zulässig? Ohne Ross und Reiter zu nennen, werden hier erneut Verdächtigungen gestreut. Soll das die bei einigen Nebenklagevertretern vermisste Empathie mit den Opfern sein?

Frau Friedrichsen empört sich zu recht über einen Rechtsanwalt, der eine nicht existierende Person vertreten hat. Dieser hatte nicht die „Diskriminierung des Rechtsstaates“ im Sinn und war auch kein Angehöriger der „staatsfernen Linken“ sondern bis zum Prozessbeginn CDU-Ratsherr in seiner Heimatgemeinde. Er gehörte zu eben jenem Grüppchen von Rechtsanwälten, die im gesamten Verfahren durch Untätigkeit glänzte und deren Vertreter von Frau Friedrichsen in einem früheren Artikel hierfür Lob erhielten.

Es gibt keine Differenzen bei der Vorbereitung der Plädoyers: Mit allen KollegInnen gibt es eine Einigung über die Reihenfolge der Plädoyers (im Übrigen moderiert durch einen der Kollegen, den Frau Friedrichsen zu den „staatsfernen Linken“ zählt). Dass der Inhalt der einzelnen Plädoyers und deren Dauer nicht zentral festgelegt wird, ist ebenso selbstverständlich wie eine Art Selbstverpflichtung, möglichst wenig zu wiederholen. Nie waren die Nebenklagevertreter in diesem Verfahren einiger als in Bezug auf die Organisierung der Plädoyers. Von den von Frau Friedrichsen behaupteten Differenzen zwischen Kurden und Türken, Ossis und Wessis oder gar „angeblich rechte Staatstreue gegen staatsferne Linke“ haben wir bisher nichts gemerkt.

Am Ende ihres Artikels schreibt Frau Friedrichsen: „Im Breivik-Prozess in Oslo hatte man sich auf nur drei kompetente Anwälte als Vertreter der vielen Opfer verständigt. Eine nachahmenswerte Beschränkung.“ Sie verschweigt wer „man“ ist; tatsächlich wurden die Nebenklagevertreter durch das Gericht ausgesucht, viele der Opfer fühlten sich durch diese Anwälte gerade nicht vertreten. Strafverteidiger haben nicht über Jahrzehnte darum gekämpft, dass die Figur des „Pflichties“ (Ein Pflichtverteidiger als Vertrauensanwalt des Gerichtes – mit Geständnisgarantie – statt ein Vertrauensanwalt des Anklagten) möglichst aus den Gerichtssälen verschwindet, um jetzt den Vertrauensanwalt des Gerichts für die Opfervertretung wieder einzuführen.

Wir meinen, dass über die Validität der Auffassungen der Nebenklagevertreter erst nach deren Plädoyers gesprochen werden sollte.

Wir verwahren uns dagegen, durch Frau Friedrichsen gegen unsere Kolleginnen und Kollegen in Stellung gebracht zu werden.

Yavuz Narin                                                                                     Eberhard Reinecke