Eminger wird nervös – verspätete Aprilscherze seiner (EX?)-Wahlverteidiger

Etwas mehr als ein halbes Jahr sitzt der Angeklagte Eminger jetzt in Haft und das scheint ihm nicht so gut zu gefallen. In der 4 1/2 Jahren zuvor war er vor allem durch Teilnahmslosigkeit gegenüber den Straftaten der von ihm verehrten Mundlos und Böhnhardt aufgefallen und  durch seine Bekenntnisse zur rechten Szene, wahrscheinlich in der falschen Hoffnung, er könne mit einem Freispruch oder einer niedrigen Strafe das Gericht verlassen, und ihn müsse das ganze Verfahren nicht interessieren. Seit dem Haftbefehl aus dem September ist die Ruhe dahin. Nach einem gescheiterten Versuch über Befangenheitsanträge das Verfahren zum Platzen zu bringen  fand er vielleicht, dass doch noch mehr für seine Verteidigung getan werden müsse.  Als erstes wurde der Szene-Anwalt Clemens eingeschaltet, der gleich als Pflichtverteidiger beigeordnet werden wollte. Als der der Vorsitzende dies völlig zu Recht am 22.3.2018 ablehnte folgte – nicht am 1. sondern am 2. April – ein Ablehnungsantrag. Ob er so spät gestellt wurde, weil Herrn Eminger erst spät einfiel, das der Vorsitzende ihm gegenüber befangen ist, oder RA Clemens vorher besseres zu tun hatte, wissen wir nicht. Höhepunkt der Begründung:

„Vielmehr erscheint es ihm (Andre Eminger) dass der abgelehnte Richter möglichst reibunslos zum Abschluss des Verfahrens kommen will und dem alle anderen Gesichtspunkte unterordnet oder sie ausblendet.“

Das ist nun ein Aprilscherz, denn was sollte sonst die Aufgabe des Vorsitzenden sein? Möglichst viele Reibungspunkte zu erzeugen? Nach der Stellungnahme des Generalbundesanwaltes konnte der Angeklagte absehen, dass sein Antrag schon als verspätet zurückgewiesen wird. So meldete sich am 5.4.2018 ein weiterer neuer Verteidiger, der die Beendigung des Mandates mit Herrn Clemens ankündigte und den Befangenheitsantrag zurücknahm, nicht ohne selbst gleich einen (schlechten) Aprilscherz zu produzieren. Rechtsanwalt Daniel Sprafke hat – soweit man dies seiner eigenen Homepage entnehmen kann – durchaus Erfahrungen in „Terror“-Verfahren, vor allem wohl solche gegen islamistische Terroristen. Er kündigte nicht nur  einen – auch weiterhin wohl eher aussichtslosen – Beiordnungsantrag für den 9.4.2018 an, sondern verlangte (wohlgemerkt nicht als Scherz) gleichzeitig die Hauptverhandlung nicht fortzusetzen, bis über den Beiordnungsantrag entschieden sei und ihm ausreichende Zeit „zur Einarbeitung in den Sachverhalt eingeräumt worden ist.“ Man fragt sich: Liest der Rechtsanwalt keine Zeitung und weis nicht, dass fast fünf Jahre verhandelt wurde, dass das Gericht den für den Haftbefehl gegen seinen Mandanten erforderlichen dringenden Tatverdacht am Ende der Beweisaufnahme erlassen hat? Eine seriöse Einarbeitung dürfte mindestens drei Monate dauern (aber auch nur, wenn man kaum andere Mandate bearbeitet). Soll das Verfahren platzen, nur damit dem neuen Verteidiger von Herrn Eminger eine Einarbeitungszeit eingeräumt wird?

Will Eminger reden?

Was wollte der neue Wahlverteidiger für eine Beiordnung anderes vortragen als RA Clemens? Er könnte – wie es auch die Rechtsanwälte Grasel und Borchert 2015 getan haben – andeuten, dass Eminger zu einer Aussage bereit wäre, von der ihm seinen bisherigen Verteidiger abgeraten hätten. Angeklagte glauben oft selbst nicht, dass aus Schweigen keine Schlussfolgerungen gezogen werden dürfen, und so entsteht machmal der Gedanke, man müsse etwa sagen. Benötigt wird die Aussage für das Urteil allerdings nicht und weitere Aufklärung ist von seiner Aussage nicht zu erwarten. Es spricht daher nichts dafür, dass zur Honorierung einer Aussagebereitschaft ein weiterer Anwalt beigeordnet wird, hat Eminger doch ohnehin noch zwei Möglichkeiten sich zu äussern: er kann ein eigenes Plädoyer halten und sich dann auch noch einmal im Rahmen des letzen Wortes äussern.

Ergänzung und Korrektur vom 9.4.2018
Kritik an Altverteidiger – Ankündigung von Anträgen

Nun liegt der Antrag auf Beiordnung vor. Reden möchte Eminger nicht. Stattdessen erleben wir wieder das interessante Schauspiel des „schlecht verteidigten“ Angeklagten. Während das Frau Zschäpe allerdings schon nach ein bis zwei Jahren Prozess aufgefallen war, wacht der Angeklagte Eminger erst nach dem Haftbefehl auf. Auch wenn Neuverteidiger Sprafke hier zunächst nur mit dem Florett einzelne Nadelstiche setzt (Die bisherigen Verteidiger seien alt und krank und hätten sich geweigert nach dem Haftbefehl Beweisanträge zu stellen), verteidigen die Altverteidiger ihre Position (sie seien nur wenige Tage krank und jetzt wieder voll verhandlungsbereit, sie seien auch bereit Beweisanträge zu stellen). Mal sehen, ob Rechtsanwalt Sprafke jetzt zum Säbel greift und wir auf diesem Weg noch einige Interna der Verteidigung Eminger erfahren. Eminger will aber Anträge stellen, Wie man dem Antrag von heute entnehmen kann:

„Anläßlich des Schlußvortrages der Vertreter des Generalbundesanwaltes wurden nach Auskunft meines Mandanten Ausführungen zur Sache gemacht, die nicht Gegenstand des Anklagesatzes sind. Gleichwohl wurden diese Ausführungen zur Würdigung der Frage der Wissenszurechnung herangezogen. Mein Mandant hat insoweit seinen Verteidigern mitgeteilt, daß hier weiterer Aufklärungsbedarf zu seiner Entlastung entstanden sei und um Stellung geeigneter Beweisanträge gebeten.“

Dass ein Staatsanwalt Ausführungen macht, die nicht Gegenstand des Anklagesatzes sind, ist üblich. Normalerweise hört man von Verteidigerseite eine andere Kritik etwa wie folgt:

„Ich habe den Eindruck, in einem anderen Verfahren gesessen zu haben; die Staatsanwaltschaft hat sich darauf beschränkt, einfach noch mal die Anklage zu verlesen, ohne Rücksicht auf den Gang der Verhandlung.“

Sollte im Antrag hingegen gemeint sein, dass die Staatsanwaltschaft Ausführungen gemacht hat, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, dürfte er falsch liegen. Der Vertreter des GBA legt erheblichen Wert darauf, dass er zu jeder seiner Ausführung darlegen kann, wann das Gegenstand der Hauptverhandlung war. Und man kann wohl den Aufzeichnungen des GBA mehr vertrauen als der Meinung von Herrn Eminger, der oft nicht besonders aufmerksam bei der Sache war und auch kaum Aufzeichnungen gemacht hat. Und was erfahren wir zu den so wichtigen Beweisanträgen?

„Es wird hier um Verständnis gebeten, daß der konkrete Inhalt geplanter Anträge zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mitgeteilt werden kann, da der Unterzeichner weitere Zeit zur Einarbeitung benötigt.“

Fassen wir also zusammen: Die Beiordnung soll erfolgen um Anträge zu stellen. Welche ist noch unbekannt, damit natürlich auch die Frage, ob solche Anträge überhaupt sinnvoll, zulässig und/oder begründet wären, auf jeden Fall erst einmal beiordnen. Es bleibt nur die spannende Frage: Wird Herr Sprafke weiter arbeiten, auch wenn er nicht beigeordnet wird, oder muss Eminger die von ihm gewollten Anträge selber stellen?

Ergänzung zwei

Rechtsanwalt Sprafke hat jetzt schon mal in einer Presseerklärung die Welt darüber informiert,  dass er nunmehr Herrn Eminger vertritt. Mehr steht da auch nicht drin. Die Überschrift „Unschuldig im Gefängnis. Quo vadis, Generalbundesanwalt?“,  gehört zu der nächten Meldung, aber vielleicht  hofft der Angeklagte Eminger, dass über ihn auch einmal eine solche Überschrift erscheint. Rechtsanwalt Sprafke scheint die Angelegenheit eher als Werbeveranstaltung zu begreifen. Schön, dass er den Angeklagten mit vollem Namen nennt, da werden nun hoffentlich auch die letzten Presseorgane aufhören von „André E.“ zu sprechen.

Eberhard Reinecke