Sturm als Bauernopfer?

Am 10.06.2015, dem 209. Verhandlungstag verlangt die Angeklagte Zschäpe die Entpflichtung ihrer Verteidigerin Sturm. Ob und welche Gründe Frau Zschäpe dem Gericht mitgeteilt hat, wissen wir (bisher) nicht. Das Kalkül ist aber durchaus nachvollziehbar, so dass wir wieder einmal spekulieren dürfen.

Nachdem Frau Zschäpe im letzten Jahr mit Ihrem Misstrauensantrag gegen alle drei Verteidiger gescheitert ist, und nachdem bekannt ist, dass sie einen weiteren Rechtsanwalt als ihren „vierten Verteidiger“ bezeichnet, scheint sie nun eine neue Taktik überlegt zu haben, um diesen Rechtsanwalt in das Verfahren zu holen. Frau Zschäpe könnte zwar theoretisch noch drei Wahlverteidiger bestellen, diese würden aber von Staat nicht bezahlt. Die Auswechslung eines einzelnen Anwaltes beeinträchtigt das Verfahren nicht (es hat auch andere Verhandlungstage gegeben, an denen nicht alle drei Verteidiger anwesend waren), insbesondere wenn der in das Verfahren eintretende Anwalt ausdrücklich erklärt, dass er eingearbeitet ist. Ohne Zweifel wird und kann das Gericht einem Antrag auf Entpflichtung eher nachgeben, wenn der Prozess nicht gefährdet ist. Deshalb könnte auch das „Wechselkontingent“ auf einen Anwalt beschränkt sein.

Für uns ist nicht zu erkennen, warum Gründe, die gegen Frau Sturm sprechen könnten, nicht auch gegen die Rechtsanwälte Heer und Stahl sprechen sollten. Die teilweise von der Presse konstatierte Entfremdung drängte sich uns nicht auf. Immerhin war es immer Frau Sturm, die zusammen mit Herrn Heer Zschäpe vor den Kameras abdeckte, wenn sie den Saal betrat. Herr Stahl beteiligte sich an diesem Ritual eigentlich nie. Es scheint fast eher eine pragmatische Entscheidung gewesen zu sein die hier getroffen wurde, da nach außen Rechtsanwalt Heer gerne den Spezialisten in Fragen des Verfahrensrechtes gibt, und Rechtsanwalt Stahl derjenige ist, der – wie er wahrscheinlich meint – Zeugen besonders gut befragen kann. Da aber nur eine Position ausgewechselt werden kann und muss, fiel dann – ohne Rücksicht auf weibliche Solidarität – die Wahl auf Frau Sturm, die nach unseren Beobachtungen ziemlich genau die Aussagen der Zeugen mitprotokolliert hat. (in Vereinen wird die Vorstandsposition des „Schriftführers“ auch gerne von Frauen besetzt).

Der Schritt von Zschäpe korrespondiert mit den kolportierten Äußerungen, die sie gegenüber einem Sachverständigen gemacht haben soll, danach fällt ihr das Schweigen schwer, es ist aber evident, dass alle drei bisherigen Verteidiger Frau Zschäpe auch weiter zur Prozessstrategie des „Schweigens“ geraten haben. Immerhin war es Frau Sturm, die schon nach dem ersten Verhandlungstag im Mai 2013 über Frau Zschaepe erklärte:Sie möchte auch endlich, dass bestimmte Sachen klargestellt werden.“. Ob Frau Zschäpe mit Hilfe eines neuen Verteidigers tatsächlich eine Einlassung zur Sache oder „Klarstellungen“ vorbereiten will, wissen wir natürlich nicht, es könnte aber in dieser Richtung spannend werden.

Aus unserer Sicht wäre es durchaus zu begrüßen, wenn das Gericht dem Antrag stattgibt und gegebenenfalls ein anderer Rechtsanwalt beigeordnet wird. Käme es dazu, so wäre natürlich auch die Frage der Solidarität der Rechtsanwälte Heer und Stahl mit Ihrer Kollegin Sturm von besonderem Interesse, wie aber auch die Frage, ob ein neuer Verteidiger mit Heer und Stahl zusammenarbeitet.
Eberhard Reinecke
Reinecke