Taten statt Worte – vom „Spiel“ Pogromly zu rassistischen Morden

Nachdem in der zweiten Verhandlungswoche im Januar die Vernehmungen zur Brandstiftung durch Zschäpe in der Frühlingsstrasse abgeschlossen war, und allein dafür bereits einmal lebenslänglich droht, wandte sich Rechtsanwalt Schön am 28.1.2014 der Ideologie und den Taten von Zschäpe vor dem Abtauchen im Jahre 1998 zu. Er fasste dieses in einem vielbeachteten Beweisantrag zusammen, der vor allem an Hand des „Spieles“ Pogromly deutlich machte, welche menschenverachtende Ideologie das Trio vor dem Untertauchen verbreitet hat. Die späteren Morde sind nichts anderes als die Umsetzung dieser Ideologie unter dem Motto „Taten statt Worte“, das erstmals im Jahre 2001 in sogenannten NSU-Brief . Im folgenden dokumentieren wir diesen Beweisantrag:

In der Strafsache
g e g e n
Beate Z s c h ä p e u. a.

wird beantragt,

wie folgt Beweis zu erheben. Zum Beweis der Tatsache, dass

1.
die Angeklagte Zschäpe zum Zeitpunkt ihres Untertauchens im Januar 1998 eine Wohnung in der 6. Etage in der Schomerusstraße 5 in Jena von der Jenawohnen GmbH (damals SWVG) angemietet hatte, bestehend
aus einem Wohnzimmer, einer Küche, einem Bad und einem Kellerraum,
beantragen wir

a) die Vernehmung des zuständigen Sachbearbeiters ….
b) Inaugenscheinnahme der Wohnungskizze …

2.
im Wohnzimmer der von der Angeklagten Zschäpe angemieteten Wohnung am 26.01.1998 folgende Waffen an der Wand hingen:
– 1 Zwille
– 1 angeschliffener Wurfstern
– 1 Armbrust mit 5 Pfeilen und Zielfernrohr
– 1 Buschmesser (Machete)
– 1 Morgenstern (Streitpflegel)
– 1 CO2-Pistole (Modell: CP88, Carl Walther, Kaliber .177
– 1 Luftgewehr mit Zielfernrohr (Modell Isch-60, Baikal/Ischewesk)
– 1 Tramontinox/Brasil-Messer mit Hülle,

sich in der Wohnstube, am Bettschrank sowie einem Regal über dem Bett ein Wurfanker mit Seil befand,
beantragen wir
a) die Vernehmung von KHK V.,….
b) die Vernehmung von KK’in L. …
c) Inaugenscheinnahme der von der Zeugin L. gefertigten Lichtbilder

3.
an der Wand im Wohnzimmer gegenüber den unter 1. genannten sichergestellten Gegenständen zwei Bilder hingen, wobei sich auf einem ein Hakenkreuz befindet, neben den Bildern in der Zimmerecke oben hing eine Reichskriegsflagge (vgl. Bilder in der Beiakte IV der StA Gera (Az. 114 Js 49045/98),
beantragen wir
a) die Vernehmung von KHK V….
b) die Vernehmung von KK’in L.
c) Inaugenscheinnanhme der Lichtbilder aus der Wohnung

4. a)
sich in dem Kellerraum der von der Angeklagten angemieteten Wohnung in der Schomerusstraße 5 am 26.01.1998 ein Paket Dämmstoff befand.
a) die Vernehmung von KK V., bb.
b) die Vernehmung von KK’in L. bb.
(betreffend den in der Schomerusstraße 5 gefundenen Dämmstoff)

4. b)
ein kriminaltechnischer Materialvergleich dieses Dämmmaterials mit der Dämmwolle, die bei der „Rohrbombe“ im Ernst-Abbe-Stadion am 06.10.1996 verwendet wurde, zu dem Ergebnis kam, dass eine gemeinsame Herkunft nicht ausgeschlossen werden kann,
beantragen wir
die Einholung eines Sachverständigengutachten durch Dipl.-Chemiker W.

5. a)
in der Wohnstube unter dem Dreisitzer am 26.01.1998 das Brettspiel „Pogromly“ gefunden wurde,
beantragen wir
a) die Vernehmung von KHK V.
b) die Vernehmung von KHK’in L.

5. b).
Es wird beantragt,
das Brettspiel „Pogromly“ in Augenschein zu nehmen sowie die Eintragungen auf dem Spielfeld und die „SA“- sowie „SS-Karten“ zu verlesen.
Diese Beweiserhebung wird ergeben:

Bei „Pogromly“ handelt es sich um ein selbstgefertigtes „Spiel“, das der Spielidee des bekannten Spiels „Monopoly“ nachgeahmt ist. Es besteht aus einem Spielbrett, Spielsteinen, sogenannten Städtekarten, Spielgeld in der Währung Reichsmark und sogenannten SA- und SS-Karten. Anstatt der Straßen, wie im Monopoly-Spiel, befinden sich jedoch Städte auf den einzelnen Feldern, die man käuflich erwerben kann. Über den Städtenamen sind jeweils 4 „Judensterne“ aufgezeichnet. Diese werden durch das Erwerben von Spielsteinen mit diesen verdeckt. So wird dann die Stadt „judenfrei“ gemacht. Dies entspricht dem Kauf von Häusern und Hotels beim Monopoly.

Die SS- und SA-Felder in der Mitte des Spielfeldes sind zur Ablage der SA- und SS-Karten gedacht. Diese ersetzen die Ereignisse bzw. Gemeinschaftskarten. Hier findet man auch auf dem Spielbrett die entsprechenden Felder, wo man eine Karte vom Stapel ziehen und die dort notierte Anweisung befolgen soll. Das abgebildete Hakenkreuz ersetzt das Startfeld des Monopoly-Spiels.

Anstelle von Elektrizitäts- und Wasserwerk, wie bei Monopoly, gibt es bei „Pogromly“ die Felder „Gaswerk“ und „Arbeitsdienste“.

Das Gefängnisfeld und Gehe in das Gefängnis wurde durch die Felder „Beim Juden“ und „Gehe zum Juden“ ersetzt. Das Feld „frei parken“ wurde durch das Feld „Besuch beim Führer“ ersetzt und anstelle von Bahnhöfen kann der Spieler die Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald, Dachau und Ravensbrück käuflich erwerben. Insgesamt hat das Spiel 16 SA- und 16 SS-Karten.

Auf den SA-Karten befinden sich u. a. folgende Anweisungen:

  • Gehe zum nächsten KZ, um die gefangenen Juden abzugeben und zahle dem Besitzer das doppelte der normalen Miete.
  • Du wurdest zum Gau-Leiter gewählt. Zahle jedem Kameraden 1.000 RM.
  • Mache eine Inspektion im KZ Buchenwald. Wenn Du über Start kommst, ziehe 4.000 RM ein.
  • Du brauchst nicht beim Juden zu bleiben. Es handelt sich um einen Irrtum.
  • Du hast gestohlen. Gehe zum Juden, damit du dieses Bild des Abschaums als Warnung behältst.
  • Strafe für zu mildes handeln gegen roten Terror!!! 3.000 RM.
  • Der Führer schenkt dir seinen Dank und eine Anerkennung für gute Dienste für das Vaterland. Ziehe 3.000 RM ein.

Auf den SS-Karten befinden sich u. a. folgende Spielanweisungen.

  • Dir ist es gelungen, eine Horde roter Zecken mit Hilfe eines MG’s abzuwehren. Du erhältst eine Prämie von 2.000 RM.
  • Du hattest auf ein Judengrab gekackt. Leider hattest du dir hierbei eine Infektion zugezogen. Arztkosten 1.000 RM.
  • Du hast durch dein gutes Durchgreifen gegen die roten Spinner die Städte sicherer gemacht. Ziehe als Dank 2.000 RM ein.
  • Du hast keine Ehre, keinen Stolz und keinen Mut. Deshalb wollen dich die Juden als ihren Vorsitzenden – gehe zum Juden!
  • Der Führer bedankt sich für deine Treue zum Vaterland. Du erhälst eine Prämie von 4.000 RM.
  • Wiedergutmachungszahlung: Juden müssen für Verbrechen am deutschen Volk zahlen. Du erhältst 400 RM.
  • Du musst nicht beim Juden bleiben. Es handelt sich um einen Irrtum. Verlasse diesen stinkenden Ort.
  • Die jüdische Krankheit (Klautisimus) muss noch weit besser erforscht werden. Zahle dafür 2.000 RM.
  • Die Polizei konnte mehrere israelische Taschendiebe verhaften. Du erhältst deine Geldbörse zurück. Ziehe 500 RM ein.
  • Diese roten Drecksäcke beschmutzen deine Städte mit dummen Parolen. Zahle für die Beseitigung 3.000 RM.

B e g r ü n d u n g :

Die Beweiserhebung ist erforderlich und für die Feststellung des Vorsatzes der Angeklagten Zschäpe von erheblicher Bedeutung. Aus der Beweiserhebung ergibt sich, dass die Angeklagte Zschäpe bereits zum Zeitpunkt des Abtauchens in den Untergrund eine gefestigte rechtsradikale und antisemitische Ideologie vertreten hat. Die „Ideologie“ des „Pogromly-Spiels“ zielt auf die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung aber auch auf Andersdenkende (Abwehren roter Zecken mit Hilfe eines MG’s). Dies entspricht der Ankündigung im sogenannten „NSU-Brief“ zur „energischen Bekämpfung der Feinde des Deutschen Volkes und der bestmöglichen Unterstützung von Kameraden und nationalen Organisationen“, die – so der NSU-Brief – nach dem Motto „Sieg oder Tod“ durchgeführt werden soll.

Der „Spielidee“, gekaufte Städte „judenfrei“ zu machen, Konzentrationslager zu erwerben, Juden im KZ abzuliefern, entspricht es, wenn in den Vorgängerversionen des „Paulchen-Panther-Videos“ über die Opfer gehöhnt wird, dass sie nun wüssten „wie ernst uns die Erhaltung der deutschen Nation ist“.

Die in der Wohnung der Angeklagten gefundenen Waffen machen darüber hinaus deutlich, dass auch sie selbst bereits vor dem Untertauchen für die gewaltsame Durchsetzung ihrer ideologischen Auffassungen gerüstet war. Die Darstellung der von der Angeklagten geteilten Ideologie zum Zeitpunkt des Untertauchens einschließlich der Anhäufung von Waffen zeigt die identische Einstellung, die auch im Verschicken des Bekennervideos nach der Inbrandsetzung der Wohnung Frühlingsstraße 26 zum Ausdruck kommt. Die unveränderten ideologischen Auffassungen der Angeklagten im Jahre 1998 und 2011 zwingen zu dem Schluss, dass die Angeklagte auch in der Zeit dazwischen keine anderen Ansichten vertreten hat. Dies ist von erheblicher indizieller Bedeutung für die Mittäterschaft der Angeklagten, unabhängig von der Frage, ob sie persönlich an einem der Tatorte anwesend war oder nicht.

Schön/Rechtsanwalt (auch für Rechtsanwalt Reinecke)