Was erwartet uns im NSU-Verfahren?

Zunächst die deprimierende Erkenntnis, dass sich in den letzten 20 Jahren – seit dem Brandanschlag in Solingen am 29. Mai 1993 – in der „Mitte der Gesellschaft“ nichts bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus geändert hat.

von Rechtsanwalt Eberhard Reinecke, 12. April 2013. Die Rechtsanwälte Reinhard Schön und Eberhard Reinecke sind im Münchner NSU-Verfahren für Nebenkläger tätig.

Ich hatte vor 5 Jahren in der NRhZ aus unseren Erfahrungen im Solingen-Prozess berichtet. Der Artikel ist heute noch beängstigend aktuell. Schon damals die dubiose Rolle des Verfassungsschutzes, der ideologische Bogen zwischen „Asylanten“-Hetze und rechtsradikalen Mordanschlägen.

Nachdem nunmehr das Bundesverfassungsericht mit der Entscheidung vom 12.4.
die Sitzplatzvergabe geklärt hat (s. auch Presseerklärung) werden Verteidiger die ersten Tage nutzen wollen. Vorliegende Anfragen an das Gericht lassen schon die Besetzungsrüge wegen der Ergänzungsrichter erahnen, die auf uns zukommen wird. Immerhin hatte eine solche Rüge im Kölner Oppenheimprozess Erfolg, der Prozess wird neu gestartet. Auch wenn sich dann tatsächlich Frau Zschäpe mit einem solchen Antrag bei den ehemaligen Geschäftsführern des Bankhauses Oppenheim einhakt, wäre das wohl auch noch kein endgültiger Beweis für die These, dass „Kapitalismus zum Faschismus führt“.

Werden die Verteidiger – oder einige von Ihnen – für Angeklagten einen Befangenheitsantrag stellen? Immerhin wird schon viel Mühe darauf verwandt, das Gericht dazu zu bringen, dass auch die Richter und die Bundesanwälte sich durchsuchen lassen müssen. Diese könnten – wie andere Prozessbeteiligte auch – Repressalien ausgesetzt sein. Während auf dem Fussballplatz laut gerufen wird: „Schiri, wir wissen wo dein neues Auto steht“, wird im Antrag eher dezent in einer Fussnote angedeutet, dass aus Veröffentlichungen bekannt sei, dass der Vorsitzende zwei erwachsene Kinder hat. Es spricht nicht viel dafür, dass das Gericht einem solchen Antrag stattgibt. Und dann? Lassen wir uns also (mehr oder weniger) überraschen.