Zschäpes „Wende“ ist keine Wende des Prozesses

Grosse Aufregung, Zschäpe will am Mittwoch aussagen, also dann doch eigentlich nicht, ihr Verteidiger soll eine (umfassende(?)) Erklärung verlesen. Ist das eine Wende, wie in machen Veröffentlichungen behauptet wird? (oder nur ein Beitrag zum 11.11. wie extra3 twittert)

Von einer Wende des Prozesses könnte nur gesprochen werden, wenn bei dieser Einlassung völlig neue Tatsachen behauptet werden, nach denen Zschäpe unschuldig ist. Eine absurde Vorstellung. Nur wenn man Zschäpes Schweigen (und nicht die von ihr begangenen Verbrechen) als beherrschenden Inhalt des NSU – Prozesses sieht, kann man „Reden“ als „Wende“ werten. Frau Zschäpe selbst will nichts sagen, wird aber wohl mindestens einen Satz sagen müssen wie etwa: Ich billige diese Erklärung:

„Soweit dem die Auffassung zugrunde liegen sollte, daß Erklärungen des Verteidigers in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten, der selbst keine Erklärung zur Sache abgibt, ohne weiteres als Einlassung des Angeklagten verwertet werden können, könnte dem der Senat nicht folgen. Die Verwertbarkeit setzt vielmehr voraus, daß der Angeklagte den Verteidiger zu dieser Erklärung ausdrücklich bevollmächtigt oder die Erklärung nachträglich genehmigt hat.“ (BGH 3 StR 176/05)

Durch eine Erklärung des Verteidigers auch mit Billigung der Mandantin wird aber kein wesentliches Beweismittel geschaffen. Insbesondere wenn – wie auf SPIEGEL-ONLINE angekündigt – Nachfragen nicht beantwortet werden, wird die Einlassung eine Fussnote des Prozesses bleiben:

„Mit Recht wird im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass einer Einlassung der Angeklagten, die sich in einer schriftlichen Verteidigererklärung erschöpft, ohne dass Nachfragen beantwortet werden, ein allenfalls sehr untergeordneter Beweiswert zukommen kann.“ (BGH 5 StR 296/14)

Einige unserer Kollegen von der Nebenklage haben auf SPIEGEL-ONLINE schon klar gemacht, dass von einer verlesenen Erklärung kaum etwas zu erwarten ist. Dem können wir uns nur anschliessen.

Da nun die verlesene Erklärung kaum so umfassend sein wird, dass sie alle mögliche Fragen erschöpfend beantwortet, wird die Verurteilung von Zschäpe wohl durch die Erklärung eher erleichtert:

„Durch eine Teileinlassung macht sich der Angeklagte freiwillig zum Beweismittel. Sein teilweises Schweigen bildet dann einen negativen Bestandteil seiner Aussage, die in ihrer Gesamtheit der freien richterlichen Beweiswürdigung unterliegt.“1 StR 125/00

Wollte Zschäpe wirklich substanziell etwas für sich erreichen, müsste sie so etwas wie ein Kronzeugin werden, ihre Unterstützer und alle, die falsch ausgesagt haben, an Messer liefern. Damit wird man jetzt kaum rechnen können. Wenn sie aber 15 Jahre Knast hinter sich haben wird (also etwa 2026) und dann noch bis zu 15 Jahre vor sich, wird sie sich vielleicht überlegen.

Eberhard Reinecke