Erste Woche des Plädoyers der Bundesanwaltschaft: Pflichtprogramm erfüllt, Kür völlig verpatzt

Drei Tage hat die Bundesanwaltschaft jetzt plädiert, insgesamt ca. 13 Stunden. Immer wieder gebremst durch die Befindlichkeit des Angeklagten Wohlleben und die Wünsche zur Mitschrift, die Frau OStain Greger veranlassten, besonders langsam zu sprechen. Ohne konkreten Strafantrag ließ der Sprecher, Bundesanwalt Dr. Diemer schon zu Beginn erkennen, dass es für die Angeklagten das volle Pfund geben wird.

Frau Greger trug dann – wie es von einer Staatsanwältin erwartet wird – viele Indizien für die Einbindung von Frau Zschäpe in die terroristische Vereinigung vor, und für ihre Beteiligung als Mittäterin, auch wenn sie nicht unmittelbar an den Taten beteiligt war. Da gibt wohl auch noch Luft nach oben, trotzdem wurde diese Pflichtaufgabe gelöst.

Anders hingegen mit den Versuchen der Reinwaschung des Staates und der Diskussion um weitere Unterstützer. Das klang schon heftig nach einem Zirkelschluss wenn Dr. Diemer erklärte, es habe keine Hinweise auf strafrechtlich relevante Beteiligung staatlicher Stellen gegeben, weil man ja sonst ermittelt hätte. Allerdings weiß natürlich auch Dr. Diemer nicht, was sich aus den vielen Unterlagen ergibt, die bis heute gesperrt worden sind oder unwiederbringlich geschreddert. Kategorisch lehnte er jeden Gedanken an weitere Beteiligte in den einzelnen Orten ab und Frau Greger behauptete sogar, Nebenklägeranwälte hätten Ihren Mandanten versprochen Hintermänner an einzelnen Orten zu ermitteln (zu diesem Unsinn vgl. die Presseerklärung der Rechtsanwälte Scharmer und Dr. Stolle).

Was signalisierte die Signaturwaffe?

Während nach Meinung der Bundesanwaltschaft diese Angriffe auf die Nebenklägervertreter zum Prozessstoff gehören, gehört die Aufklärung des staatlichen Versagens nicht dazu. Zwischen den Zeilen wurden die Ermittlungsbehörden sogar mit folgenden Worten von Frau Greger verteidigt:

„Der bewusste Verzicht auf Bekennung zu den Anschlägen, die Tötung mittels Hinrichtung, die Angriffsrichtung auf Gewerbetreibende und die Verwendung einer Signaturwaffe, der Pistole Ceska, haben dazu geführt, dass die Ermittlungsbehörden lange Zeit nach möglichen kriminellen Hintergründen in den Gewerbebetrieben der Opfer suchten.“

Nun macht eine (angeblich) fehlende Tatbekennung, die Ermittlungsarbeit schwieriger, ansonsten verstehen wir die Ausführungen so, dass bei einer Hinrichtung von Gewerbetreibenden immer schon mal mögliche kriminelle Hintergründe in den Gewerbebetrieben der Opfer gesucht werden müssen. Warum eigentlich? Und warum wird von Frau Greger verschwiegen, dass mit derselben Intensität nach persönlichen Motiven – meist Ehestreitigkeiten – gesucht wurde. Und was hat die „Signaturwaffe“ (ein Begriff der im Plädoyer wohl auch nur in übertragenden Sinn gebraucht wird) mit der Rechtfertigung des Versagens der Ermittlungsbehörden zu tun? Natürlich wollten die Täter mit der Verwendung der Waffe etwas sagen. Diese Botschaft hätte aber spätestens bei der Polizei ankommen müssen, nachdem schon nach den ersten 4 Morden (bis Ende 2001) es

  • keine Hinweise auf kriminelle Machenschaften in den Gewerbetrieben gab,
  • keine Hinweise auf persönliche Motive gab (außer teilweise von der Polizei frei erfundenen)
  • Und vor allem es keinerlei Verbindungen zwischen den Opfern gab.

Zweieinhalb Jahre Zeit hatten die Ermittlungsbehörden zwischen dem (bereits vierten) Mord an Habil Kilic am 29.8.2001 und dem nächsten Mord an Yunus Turgut am 25.2.2004 um zu verstehen, dass es keine andere Verbindung zwischen den Toten gab, als ihre Eigenschaft als türkische Gewerbetreibende, und Täter die es darauf anlegten, diesen Zusammenhang herzustellen. Weil die Polizei diese Form der Tatbekennung nicht verstanden hat, mussten weitere Opfer sterben. Es gibt keine Rechtfertigung für die fehlgelaufenen Ermittlungen.

Wir berichten nicht im einzelnen über die Plädoyers, weil es Kollegen gibt, die das viel besser können. Äußerst verdienstvoll ist die Berichterstattung auf der Seite NSU-Nebenklage, auf der zusammenfassende Berichte und – nach und nach – die fast wörtliche Wiedergabe der Plädoyers zu finden sind (Bericht vom 25.7., 26.7. und 27.7). Wichtig auch die Berichterstattung der Kollegen Scharmer und Dr. Stolle (Bericht vom 25.7., 26.7. und 27.7).

Eberhard Reinecke