kommentierte die Titanic sarkatisch den Satz „Der Vater von Uwe Mundlos sieht seinen Sohn als Opfer“. Über die Vernehmung von Prof. Dr. Mundlos ist in der Presse viel berichtet worden. Auffällig und durchgehend – wie bereits bei der Mutter von Uwe Böhnhard – der Versuch an der Verantwortung des eigenen Sohnes zu zweifeln und auch die eigene Verantwortung überhaupt nicht zu reflektieren.
Die Verantwortung von Eltern
Als Rechtsanwalt spricht man immer mal wieder mit Eltern, die sich mit der Frage martern, was sie nun falsch gemacht hätten, dass ihr Kind auf die schiefe Bahn gekommen sei. Regelmässig kann ich die Eltern beruhigen, weil es wirklich keinen Königsweg zu wohlgeratenen Kindern gibt und angesichts des vielfältigen Einflusses von Schule, Freunden und auch gesellschaftlichen Verhältnissen sich „Fehler“ der Eltern nie richtig feststellen lassen. Aber ich bin auch noch nie auf die Idee gekommen, Eltern in dem Gedanken zu bestärken, ihre Erziehung sei bedeutungslos und z.B. ausschliesslich der schlechte Einfluss der Schule und von Freunden sei verantwortlich. Wenn die Eltern beider Uwes so strikt ihre eigene Verantwortung nicht einmal problematisieren, so spiegelt sich darin die Monströsität der Verbrechen. Wahrscheinlich fällt es unglaublich schwer, sich angesichts der Taten auch nur eine minimale Mitverantwortung zu geben. Am Ende der Vernehmung von Vater Mundlos gab Rechtsanwalt Hoffmann, auch im Namen der Rechtsanwälte Clemm, Dr. Elberling, Fresenius, Ilius, Kuhn, Lex, Lunnebach, Scharmer, Stolle, von der Behrens eine Erklärung dazu ab, die wir im Folgenden dokumentieren:
„Die Vernehmung des Zeugen Dr. Mundlos war geprägt durch dessen Bemühen, jede Verantwortung für die Straftaten des NSU von seinem Sohn abzuwehren. Dr. Mundlos hat sich offensichtlich über die letzten Jahre in ein geschlossenes Vorstellungsbild des Geschehens hineingearbeitet, in dem sein Sohn als unschuldiges Opfer fehlgeleiteter Polizeiarbeit, verleitet von V-Leuten des Verfassungsschutz, der eigentlich nur aus Freundschaft Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in den Untergrund begleitete, dargestellt wird.
Sein eigenes Versagen bei der Erziehung seines Sohnes, seine Unfähigkeit dessen Naziideologie adäquat zu entgegnen, seine innere Weigerung zu erkennen, dass er das Ausmaß der Gefährlichkeit seines Sohnes und dessen Ideologie unterschätzt hat, kann der Zeuge Dr. Mundlos nicht reflektieren. Wenn er von insgesamt 12 Opfern des NSU spricht, und damit offensichtlich seinen Sohn und Uwe Böhnhardt miteinbezieht, wird deutlich, dass er jeden Bezug zur Realität verloren hat und sich weigert Fakten aufzunehmen. Dies mag einem verzweifelten Vater, der seinen Sohn im doppelten Sinne verloren hat zuzugestehen sein, es muss sich allerdings unmittelbar auf die Bewertung der Zeugenaussage auswirken.
Gleichwohl darf diese Bewertung nicht dazu führen, die Aussage des Zeugen Mundlos insgesamt als nicht relevant abzuhaken. Die von dem Zeugen geschilderten Beobachtungen der Tätigkeit der Verfassungsschutzämter bzw. deren Mitarbeiter sind für dieses Strafverfahren relevant. Die geschilderte Einflussnahme von bezahlten V-Leuten, die Gründung des Thüringer Heimatschutzes durch den V-Mann Brandt, die Lieferung von Sprengstoff durch den V-Mann Starke, die Tatsache, dass selbst nach dem Abtauchen von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt mehrere V-Leute von Verfassungsschutzbehörden im direkten Umfeld der Unterstützer aktiv waren, sind Tatsachen, die zur Beurteilung der Schuld der Angeklagten zu berücksichtigen sind.
Nette Menschen können keine Gewalttäter sein?
Die Verteidigung Zschäpe wollte aus der Aussage allerdings schliessen, dass die Angeklagte nicht rechts gewesen sei, nicht ausländerfeindlich und daher wohl auch als Täterin ausscheide. Zurecht wies der Kollege Bliwier darauf hin, dass auch gerade KZ-Täter in ihrem familiären Umkreis sehr fürsorglich sein konnten. Passend dazu erinnert die Süddeutsche am 20.12. daran, dass vor 50 Jahren der Auschwitzprozess begann und schildert z.B. einen der Angeklagten wie folgt:
Oswald Kaduk, „einer der grausamsten, brutalsten und ordinärsten SS-Männer im Konzentrationslager Auschwitz“, wie es im Urteil später heißen wird. Er arbeitet inzwischen (in den 1960 er Jahren) als Krankenpfleger, die Patienten nennen ihn „Papa Kaduk“, weil er sich so aufopfernd kümmert.
Was weis der Zeugenbeistand RA Jauch ?
Von Nebenklagevertretern wurde ausserdem ein Beweisantrag zu dem rechten Szene Anwalt Jauch gestellt, den wir hier dokumentieren. Er soll Anfang 1998 ein Mandat von Beate Zschäpe gehabt haben, er soll – so die Beweisbehauptung – wohl auch in die finanzielle Abwicklung der Unterstützung des Trios eingebunden gewesen sein. Er ist gleichzeitig als Zeugenbeistand tätig, u.a. für Tino Brandt, von dem nicht ganz klar ist, ob der der V-Mann des Verfassungsschutzes in der rechten Szene war oder der V-Mann der rechten Szene im Verfassungsschutz. Wenn der Szeneanwalt ihn heute vertritt, scheint einiges für das letztere zu sprechen.
Rechtsanwalt Schön schloss sich dem Beweisantrag und den Beweisermittlungsanträgen der Nebenklägerkollegen an und erklärte ergänzend, dass der Senat bei den Verstrickungen des Rechtsanwaltes Jauch in die rechtsradikale Szene davon Abstand nehmen sollte, diesen als Zeugenbeistand gemäß § 68 b StPO beizuordnen. Dies hatte der Rechtsanwalt Jauch schon mehrmals versucht, z. B. bei dem als V-Mann des Verfassungsschutzes bekannten Zeugen Tino Brand. Der Senat hat bei Tino Brand die Beiordnung des Rechtsanwaltes abgelehnt. Rechtsanwalt wies darauf hin, dass gemäß § 68 b StPO die Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwaltes nur dann möglich ist, wenn dessen Anwesenheit die geordnete Beweiserhebung nicht nur unwesentlich beeinträchtigt. Dies ist aber in der Regel der Fall, wenn der Beistand an dem Tatkomplex in der Form beteiligt ist, dass eine Begünstigung oder Strafvereitelung in Betracht kommt oder der Beistand das Aussageverhalten des Zeugen dadurch beeinflusst, dass er von fremden Interessen geprägt ist und nicht einseitig den Interessen des Zeugen verpflichtet erscheint. Dies ist angesichts des in den Beweisermittlungsanträgen geschilderten Sachverhaltes ersichtlich der Fall.
Rechtsanwalt Schön wies auch darauf hin, dass der Senat unbedingt dem Wirken rechtsradikaler Anwälte in dem NSU-Prozess entgegenwirken solle und darauf, dass z. B. der Angeklagte Wohlleben über seine Rechtsanwältin Schneiders den exponierten rechtsradikalen Rechtsanwalt Narrath in dieses Verfahren „eingeschleust“ habe. Dies sei alles sehr kritisch zu beobachten.
Eberhard Reinecke/Reinhard Schön