Abtauchen oder Eintauchen? In welchem Umfeld bewegte sich das NSU-Trio?

Am 26. und 27.2.2014 wurde Mandy S. im NSU-Verfahren als Zeugin vernommen. Selbst An­gehörige der rechten Szene und z.Zt. noch Beschuldigte in einem Verfahren wegen Unterstützung des NSU, hätte sie die Aussage verweigern können. Sie sagte aus und war – gemessen an anderen Zeugen aus dem Umfeld des Trios – eher authentisch, wie auch in der ZEIT resümiert wurde. Ihre bisher nicht abgeschlossene Vernehmung durch Nebenklagevertreter wird an einem späteren Termin fortgesetzt werden, es wird sich zeigen, womit sie dann noch konfrontiert wird.

Aber immerhin: Eine Aussageverweigerung in Form des angeblichen Gedächtnisschwunds blieb aus. Geradezu penetrant war dies bei André Kapke, einem hochrangigen Vertreter der rechten Szene aus Thüringen. Er hatte kein Aussageverweigerungsrecht konnte sich aber „beim besten Willen“ (so  seine ständige Phrase – wo den Beteiligten doch schon ein guter Wille gereicht hätte) nicht erinnern und steigerte das gelegentlich noch in die (wohl nicht ernst gemeinte) Aufforderung: „Da können Sie mich totschlagen, das weiß ich nicht mehr.“

Wenn aber das Trio unbehelligt 13 Jahre gar nicht weit vom Ort ihres Untertauchens leben konnte, so ist das nicht nur der sicherlich vorhandenen Unterstützung aus der rechten Szene zu verdanken, sondern auch dem Gleichklang ihrer rechten Gesinnung mit der ihres Umfeldes. Bereits im Februar 1998 (kurz nach dem Untertauchen) wurden die drei mit Fahndungsfotos durch die TV-Sendung „Kripo-Live“ gesucht, einem der Quotenbringer des MDR (ca. 1 Million Zuschauer).

Die drei waren nur 100 km weiter gezogen (von Jena nach Chemnitz). Brauchbare Hinweise gab es nicht, wohl kaum, weil niemand sie erkannt hätte; aber wegen einer Bombenattrappe in einem Koffer mit Hakenkreuz wurde wohl niemand aktiv. Fast sieben Jahre wohnten die drei dann in der Polenzstr. in Zwickau. In dieser Zeit wurden fast alle Taten begangen (nur der erste Mord und der Sprengstoff­anschlag in der Probsteigasse in Köln lag vor dem Einzug in diese Wohnung). Aufgefallen sind sie den Nachbarn nicht. Warum auch. Zschäpe war die liebe „Lise“, wahrscheinlich fast die Einzige, die nicht von Hartz IV lebte und die andere Bewohnerinnen unterstützte. Orginalzitat aus einem NDR Film:

„Wenn die Tür aufging und die Lisa stand vor der Tür, dann war die Welt in Ordnung.“

Berührungsängste mit Rechten zeigen die Nachbarinnen nicht:

„Alle in den Topf hinein und die Leute vor allen Dingen ganz schön aufhetzen gegen die bösen, bösen Rechten. … es gibt ja auch ruhige, friedliebende, sage ich mal Rechtsextreme, die hören zwar die Musik an und vertreten diese Meinung aber da denkt man halt auch nicht, dass die da irgendwann mal irgendwo eine Waffe ziehen und da einen abschießen.“

Ein anderer Nachbar:

„Herrgott, Alter, 10 Morde und das hat sie – und eine Polizistin umgebracht und ach du Scheiße und das noch. Das ist für mich nichts, ey, die Leute sollen aufhören, so einen Scheiß zu labern.“

Dieser Zeuge behauptete in seiner Zeugenvernehmung, nichts mit der rechten Szene zu tun zu haben aber seine Facebook-Seite belegte anderes: Werbung für die rechtsradikale Band „Endstufe“, Unterstützung von NPD-Kampagnen gegen Asylbewerberheime in Schneeberg. Dass aber alles scheint „normal“ zu sein, wie dann die Zeugin Sindy P. am 3.2.2014 erklärte. Ihre politische Einstellung bezeichnete sie als „normal“. Die Facebook-Seite von ihr und ihrem Mann strotzte nur so rechtsradikalen Inhalten. Höhepunkt dabei eine Abbildung der Comic-Figur „Paulchen – Panther“, mit dem Zusatz „I love you“. Dies ist nichts anderes als eine Billigung von Straftaten, wie Vertreter der Nebenklage in einer Erklärung zu der Aussage dieser Zeugin hervorhoben. In dieser „Normalität“ musste das Trio nicht tief untertauchen.

Auch als das Trio dann für die letzten dreieinhalb Jahre vor dem Auffliegen in eine bessere Gegend von Zwickau umgezogen war, fielen sie nicht auf. Warum auch. Man traf sich im Keller eines Nachbarn, der ein Hitlerbild auf seinem Fernseher aufgestellt hatte. Wie es dahin kam, konnte ein anderer Nachbar erklären: Der Kellerbesitzer hatte im Nachbarhaus eine Wohnung entrümpelt, dabei gab es nur zwei verwertbare Gegenstände: das Hitlerbild und einen Aschenbecher mit der Aufschrift „Stammtisch“. Hier fühlte sich Zschäpe richtig wohl und wurde „Dienelt-Maus“ genannt.

„Der Ali hat Kohle, der Hassan hat Drogen, wir Deutschen zahlen und werden betrogen“,

hieß es in dumpfer rechtsradikaler Hetze auf der Facebook-Seite der Zeugin Sindy P. Ihr fällt wahrscheinlich nicht einmal auf, dass sie selbst wie viele andere Bewohner der Polenzstr. seit Jahren von Hatz IV lebt, die Steuern dafür werden allerdings (auch) von Menschen wie den neun ausländischen Mordopfern gezahlt, von denen kein einziger von Sozialleistungen lebte.

Eberhard Reinecke

Dieser Beitrag wurde auch auf dem Blog von Rechtsanwalt Reinecke in der Huffingtonpost veröffentlicht.

s, dazu auch frühere Beiträge:
http://www.blog-rechtsanwael.de/wer-solche-aussteiger-hat-braucht-keine-einsteiger-mehr/
http://www.blog-rechtsanwael.de/wie-ein-fisch-in-brauner-bruhe/