Die CDU und die alten Ideen: Jetzt das Standgericht

Ich hatte schon früher darauf hingewiesen dass die CDU in ihren Stellungnahmen zu den Silvesterkrawallen in Richtung eines Ahnenspasses geht. Jetzt profiliert sich der neue Generalsekretär mit folgendem Vorschlag (zitiert nach SPIEGEL-ONLINE):

»Es braucht Schnellverfahren gegen Gewalttäter, das Justizsystem muss entsprechend organisiert werden.« Wer mittags im Freibad Menschen angreife, müsse abends vor dem Richter sitzen und abgeurteilt werden. »Auch am Wochenende.« Die Strafprozessordnung gebe das her. Auch das Strafmaß müsse voll ausgeschöpft werden, bis hin zu Haftstrafen.

Abgesehen von wenigen Fällen nach dem „Bochumer Modell“ in den 1990ger Jahren wurden – soweit mir bekannt ist – die letzten Verfahren, bei denen die Aburteilung am selben Tag erfolgte, von SS Standgerichten durchgeführt, die in den letzten Kriegstagen durch die Städte zogen. Und wer morgens eine weiße Fahne zum Zwecke der Kapitulation aus dem Fenster seiner Wohnung gehängt hatte, konnte abends nach einer standesrechtlichen Verhandlung schon erschossen sein. Ähnlich ging es aufgegriffenen Deserteuren.

Nun möchte sicherlich auch Herr Linnemann nicht die Todesstrafe verhängen, aber immerhin  fernab aller rechtsstaatlichen Garantien  Verfahren durchführen. Es trifft auch nicht zu, dass die heute gültige StPO ein solches Verfahren zulässt. Das beginnt schon damit, dass das Schnellverfahren nur zulässig ist, „wenn die Sache auf Grund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist.(§ 417 StPO)“. Im Regelfall dürften gewaltsame Auseinandersetzungen mit Tumulten einhergehen (gerade in Freibädern) und jeder Praktiker weiß, dass die Aufklärung eines Tumultgeschehens mit zu den kompliziertesten Aufgaben vor Gericht gehört. Man wird auch im Regelfall davon ausgehen können, dass die angebliche Gewaltanwendung von Zeugen beobachtet sein müsste, die sicherlich zu einer Verhandlung geladen werden müssen.

Nach § 418 StPO beträgt im Übrigen die Ladungsfrist 24 Stunden und bei einer Haftstrafe von mindestens 6 Monaten ist ein Pflichtverteidiger zu bestellen, den der Angeklagte eigentlich aussuchen muss. Die volle Ausschöpfung des Strafmasses auch mit Haftstrafen klingt stramm, aber was ist damit gemeint? Bei einer einfachen Körperverletzung liegt die Höchststrafe bei 5 Jahren, bei der gefährlichen Körperverletzung bei 10 Jahren, in beiden Fällen müsste beim Landgericht ohne Schnellverfahren verhandelt werden, der Einzelrichter am Amtsgericht kann Strafen bis zu 2 Jahren verhängen.

Es ist also von vornherein völlig unrelativ realistisch, dass solche Verfahren stattfinden können. Man darf auch daran zweifeln, dass Linnemann das wirklich glaubt. Er will offensichtlich die CDU sich als stramm rechte Partei präsentieren. Das wirklich Bedrohliche ist aber, dass er dafür hemmungslos rechtsstaatliche Prinzipien über Bord wirft. Dass schon die jetzige (geringe) Praxis des beschleunigten Verfahrens rechtsstaatlich zweifelhaft ist, kann man hier nachlesen.

Eberhard Reinecke