Fragen von NebenklagervertreterInnen – monatelang auf die Antworten warten?

Am 6.7.2016 gab das Gericht den Vertretern der Nebenklage Gelegenheit, Fragen an die Angeklagte Zschäpe zu stellen. Es waren mehrere hundert Fragen, die gestellt wurden. Über einige berichtet der SPIEGEL oder auch die SZ.   Wer alle Fragen nachlesen will, findet diese nunmehr (20.7.2016) auf der verdienstvollen Seite NSU-Watch. 

Die Fragen unseres Büros, die von Rechtsanwältin Catic-Redemann und Rechtsanwalt Schön gestellt wurden, finden Sie hier. (die Fotos aus Frage zwei sind Standbilder aus dem sehenswerten Arte-Film „Rechtsextremismus & Neonazi Bewegung in Europa“ – Bilder ab Min 51:30)

Anwesend war wieder einmal Zschäpewahlverteidiger Borchert (der Mann für die wichtigen Tage), der erklärte, „Wenn sich das Gericht einige Fragen herauspickt und zu eigen macht, werden wir selbstverständlich unser Wort halten und die Fragen beantworten“, ansonsten werde man überlegen, ob die Fragen überhaupt beantwortet werden, wenn überhaupt werde dies Monate dauern.

Wäre es folgenlos, wenn Zschäpe die Fragen nicht beantwortet?

Wohl kaum. Macht eine Angeklagte überhaupt Angaben, kann im Rahmen der Beweiswürdigung auch berücksichtigt werden, dass die Angeklagte zu einzelnen Fragen schweigt oder zu einzelnen Aspekten überhaupt nicht Stellung nimmt. Man nennt das Teilschweigen.

„Durch eine Teileinlassung macht sich der Angeklagte freiwillig zum Beweismittel. Sein teilweises Schweigen bildet dann einen negativen Bestandteil seiner Aussage, die in ihrer Gesamtheit der freien richterlichen Beweiswürdigung unterliegt.“ (BGH, Beschluss vom 03. Mai 2000 – 1 StR 125/00 –, juris)

Ähnlich der für Staatsschutzsachen zuständige 3. Strafsenat des BGH:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann es zwar von indizieller Bedeutung sein, wenn ein Angeklagter zu einem bestimmten, einheitlichen Geschehen Angaben macht und insoweit lediglich die Beantwortung bestimmter Fragen unterlässt (sog. Teilschweigen, vgl. BGHSt 45, 367, 369 f. m. w. N.). Das Schweigen bildet dann einen negativen Bestandteil seiner Aussage, die in ihrer Gesamtheit der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 261 StPO unterliegt (vgl. BGH NStZ 2000, 494, 495 m. w. N.). Entsprechendes kann gelten, wenn er nicht die Beantwortung an ihn gestellter Fragen verweigert, sondern zu einem Geschehen von sich aus nur lückenhafte Angaben macht (vgl. Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 78). Auch dann dürfen grundsätzlich für ihn nachteilige Schlüsse daraus gezogen werden, daß er einen bestimmten Punkt eines einheitlichen Geschehens von sich aus verschweigt. (3 StR 370/01)

Natürlich gilt das nicht nur für Fragen des Gerichtes sondern auch für Fragen anderer Beteiligter und zwar unabhängig davon, ob das Gericht „sich einzelne Fragen herauspickt“ (Borchert) oder nicht. Es kann nachvollziebare Gründe geben, Fragen nicht zu beantworten (z.B. wenn man eine nahe stehende Person belasten müsste). Solche Gründe sind aber nicht ersichtlich. Im Gegenteil: In Ihrer Einlassung vom 9.12.2015 hat Frau Zschäpe erklärt, sie übernehme eine „moralische Verantwortung“. Wer moralische Verantwortung übernimmt, hat nun aber überhaupt keinen Grund, die Fragen der Opfer und ihrer Angehörigen nicht zu beantworten.

Hat Frau Zschäpe mit den Antworten noch vier Monate Zeit?

Bisher lagen zwischen Fragen und Antworten immer ca. 6 – 8 Wochen. Das war unproblematisch, weil die Hauptverhandlung andauerte. Ob das Verfahren jetzt allerdings noch vier Monate dauern wird, steht nicht ohne weiteres fest. Natürlich steht es der Angeklagten frei, die Fragen erst in ihrem letzten Wort zu beantworten. Nach jetzigem Stand spricht aber einiges dafür, dass das Gericht zur Sommerpause (2. August) die Beweisaufnahme schließen will, oder dies zumindest für September ankündigt. Ohne Zweifel wird das Gericht den Schluss der Beweisaufnahme nicht davon abhängig machen, dass Frau Zschäpe noch Monate Zeit zur Beantwortung der Fragen bekommt; schließlich könnte sie die Fragen sofort mündlich beantworten. Egal ob die Angeklagte schweigt oder antwortet: Die ohnehin schon unglaubwürdige Einlassung der Angeklagten wird wohl weiter zerpflückt werden.
Eberhard Reinecke