Solidarität mit Erzieherinnen im Streik – Elternbeitrag zurückfordern

Seit Freitag letzter Woche streiken bundesweit Erzieherinnen kommunaler KiTas für ihre berechtigten Forderungen nach besserer Einstufung. Es wird kolportiert, dass sich manch ein Kämmerer deswegen die Hände reibt, weil er einerseits die Elternbeiträge weiter erhält, andererseits die Gehälter der streikenden Erzieherinnen nicht bezahlt werden müssen. In dieser Situation erfordert die Solidarität der Eltern mit den Erzieherinnen nicht nur politische Aktionen, sondern auch die Forderung nach Erstattung der Beiträge, damit die Kommunen unter Druck gesetzt werden. Auch wenn der Rat der Stadt Köln am Dienstag, 12.5., einstimmig die Erstattung der Elternbeiträge beschlossen hat, halten wir eine juristische Hilfestellung für sinnvoll. Auch wenn die folgenden Ausführungen, welche im Vorfeld der Ratssitzung verfasst worden sind, für Köln nicht mehr aktuell sind, gilt das nicht notwendig für andere Kommunen. So etwa wird davon ausgegangen, dass in allen Kommunen mit Haushaltssicherungskonzept eine Rückzahlung nicht erfolgen wird. Wir meinen, dass man dagegen auch juristisch etwas unternehmen kann und sollte.

Streik ist keine „höhere Gewalt“

Am Montagmorgen begann in Köln der Streik der Mitarbeiterinnen der städtischen Kindertageseinrichtungen. Die Eltern der rund 14.000 Kinder, die normalerweise in diesen Einrichtungen betreut werden, müssen sich voraussichtlich für ca. 14 Tage eine Alternative suchen. Von den 225 städtischen Kindergärten haben lediglich 7 geöffnet und 72 richten nach Angaben der Stadt einen Notbetrieb ein.

Trotz der Solidarität mit den streikenden Mitarbeiterinnen stellen sich viele Eltern die Frage, ob sie für die Zeit, in der die Einrichtung geschlossen bleibt, ihre Elternbeiträge und das Essensgeld anteilig erstattet bekommen. Darüber hinaus fallen für viele, bei denen keine Freunde oder Großeltern einspringen können, zusätzliche Kosten für eine Alternativbetreuung an, ggf. kommt es auch zu Verdienstausfällen und Vermögenseinbußen durch unbezahlten Urlaub. Wer haftet für diese Kosten? Und habe ich einen Anspruch auf eine neue Festsetzung des Elternbeitrages für die Zeit des Streiks?

Der erste Schritt: Eine Recherche im Internet. Doch diese ist ernüchternd: So heißt es in der Frankfurter Rundschau beispielsweise: Bei einem Streik handele es sich um höhere Gewalt. Der Arbeitgeber habe nicht zu vertreten, dass die Kita geschlossen bleibe. Die Eltern könnten daher auch keine Gebühren zurückverlangen. Hätten die Eltern die Möglichkeit, sofort die Gebühren zurückzuverlangen, wäre das ein zusätzliches Druckmittel auf die Arbeitgeber.

Doch genau darum geht es! Der Bereich der Sozial- und Erziehungsdienste ist seit langem unterfinanziert und das Auslaufen des Tarifvertrages für Erzieher und Sozialarbeiter zum 31.12.2014 war der Stadt bekannt. Ferner war ihr bekannt, dass die Gewerkschaft in den Tarifverhandlungen für eine bessere Eingruppierung kämpfen würde und – falls erforderlich – auch Streiks beschlossen werden würden. Von „höherer Gewalt“ kann mithin keine Rede sein. Und im Interesse der Beschäftigten und der betroffenen Eltern ist eine Erhöhung des Drucks mit dem Ziel eines zeitnahen positiven Abschlusses der Verhandlungen für die bundesweit ca. 240.000 Erzieherinnen und Sozialarbeiterinnen durchaus angebracht.

Heute Nachmittag tagt der Rat der Stadt Köln. Der Jugendamtselternbeirat, die Interessenvertretung aller Eltern von Kindergartenkindern auf der kommunalen Ebene, hat deshalb alle Eltern zu einer Versammlung auf dem Alter Markt aufgerufen.

Unabhängig vom Ausgang der heutigen Sitzung, sind wir der Auffassung, dass eine anteilige Rückforderung des Elternbeitrages und des Entgelts für das Mittagessen rechtlich möglich ist und von den Eltern gefordert werden sollte. Gleiches gilt ggf. für einen Anspruch auf Verdienstausfall u.a.

Einige juristische Hinweise

Der Besuch der städtischen Kindertageseinrichtung erfolgt aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses. Zwischen der Kindertageseinrichtung und den Eltern wird ein Betreuungsvertrag geschlossen. Zur anteiligen Finanzierung der Betriebskosten zahlen die Eltern einen Elternbeitrag nach den Regelungen der städtischen Beitragssatzung. Dieser Beitrag wird nach § 2 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung von Elternbeiträgen zu Kindertageseichrichtungen, der Kindertagespflege und außerunterrichtlichen Angeboten der Offenen Ganztagsschulen vom 01.08.2013 „für jeden Monat erhoben, für den ein gültiger Betreuungsvertrag mit einer Kindertageseinrichtung […] besteht und der Platz dem Kind zur Verfügung steht […]. Schließungszeiten der Einrichtungen sind unbeachtlich.“ Im Falle eines Streiks steht der Kitaplatz dem Kind jedoch nicht zur Verfügung und es handelt sich auch nicht um eine normale Schließung der Einrichtung. Die Anzahl der Schließtage darf nach dem Kinderbildungsgesetz im Übrigen dreißig Öffnungstage pro Jahr nicht überschreiten und diese Zahl wird von den Einrichtungen zumeist auch ausgenutzt. Die Schließtage während des Streiks kämen mithin oben drauf. Demnach kann auch kein Beitrag erhoben werden. Geschieht dies doch, so haben die Eltern einen Rückforderungsanspruch gegenüber der Stadt Köln (Amt für Kinder, Jugend und Familie). Beiträge werden nach den Grundsätzen des öffentlichen Abgabenrechts für die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben. Diese Möglichkeit wird den Eltern jedoch während des Streiks gerade nicht gegeben. Mit Blick auf die seitens der Stadt eingesparten Personalkosten folgt der Rückforderungsanspruch überdies auch aus dem Grundsatz der ungerechtfertigten Bereicherung. In Veröffentlichungen ist häufiger von 24 Tagen die Rede, die angeblich weiter gezahlt werden müssten. Dies beruht nicht auf gerichtlichen Entscheidungen sondern ist einmal anlässlich eines früheren Streiks nach Gutsherrenart von manchen Kommunen festgelegt worden. Völlig unbeachtet bleibt bisher auch die Auswirkung des Art. 9 GG (Garantie des Streikrechtes) auf das Problem. Die erforderliche Kampfparität zwischen den öffentlichen Arbeitgebern und den Gewerkschaften wird durchbrochen, wenn der Streik für den Arbeitgeber letztlich finanziell vorteilhaft ist.

Darüber hinaus zahlen die Eltern ein Entgelt für das Mittagessen. Während in der Praxis zumeist nur eine entsprechende Vereinbarung mit der Kita, dass das Kind am Mittagessen teilnimmt, verbunden mit der Erteilung einer Einzugsermächtigung zur Abbuchung des Mittagsessensgeldes erfolgt, handelt es sich hierbei rechtlich gesehen jedoch um den Abschluss eines privatrechtlichen Verpflegungsvertrages. Ob im Rahmen dessen ein Erfolg („das Kind ist satt“) geschuldet wird, oder es nur um die Erbringung der Dienstleistung der Verpflegung geht, ist juristisch nicht unbedeutend, kann im Ergebnis allerdings offen bleiben. Entscheidend ist, dass wenn die Kita als Dienstleister die Dienstleistung nicht erbringt, der Vergütungsanspruch entfällt und die bereits gezahlten Beträge zurückgefordert werden können.

Hinsichtlich der Geltendmachung von Verdienstausfallschäden u.a. käme die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruches in Betracht. Denn nach dem Kinderbildungsgesetz sind die Kindertageseinrichtungen verpflichtet, ganzjährig eine regelmäßige Betreuung und Förderung aller aufgenommenen Kinder zu gewährleisten. Grundsätzlich können Streiks zwar als höhere Gewalt qualifiziert werden. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn sich die außergewöhnlichen Umstände hätten vermeiden lassen und nicht alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden. Zudem sind die Arbeitgeber in diesen Fällen verpflichtet, alles zu tun, um die Betreuung so gut wie möglich zu gewährleisten. Im Rahmen streikbedingter Flugausfälle ist zudem anerkannt, dass eine Betreuung während des Streiks zu erfolgen hat und die dabei entstehenden Kosten von der Fluggesellschaft zu übernehmen sind. Überdies hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Bahnreisende auch bei Verspätungen aufgrund höherer Gewalt wie Streiks oder Unwetter einen Anspruch auf Entschädigung haben. Diese Grundsätze müssen auch hier gelten. Dass ein Schadensersatzanspruch in Form von Verdienstausfall eines Erziehungsberechtigten wegen der Nichtbereitstellung eines Kinderkrippenplatzes besteht, wurde zudem jüngst vom Landgericht Leipzig entschieden. Die Stadt konnte sich im Rahmen des Prozesses dabei auch nicht mit dem Vortrag entlasten, dass tatsächlich nicht ausreichend Plätze vorhanden seien. Das Landgericht argumentierte vielmehr, dass es der Stadt oblag im Rahmen ihrer Planung Vorkehrungen zu treffen, um auch einen unvorhersehbaren Bedarf zu befriedigen und ihr Handeln zumindest fahrlässig sei. In dem Urteil ging es um die grundsätzliche Bereitstellung eines Krippenplatzes. Diese ist bei der vorliegenden Konstellation zwar gegeben. Die vom Streik betroffenen Eltern haben einen Platz. Dieser wird ihnen während des Streiks de facto jedoch nicht zur Verfügung gestellt – trotz Rechtsanspruch.

Lohnt sich ein Prozess?

Soll man tatsächlich wegen Beträgen zwischen 100,00 € und 300,00 € einen Prozess führen? Das geht natürlich auch anders: Die Eltern einer Kita könnten sich zusammenschließen und ihre Forderungen an eine Familie abtreten. Diese würde den Prozess dann stellvertretend für alle führen. Die Anwalts- und Gerichtskosten würden nur einmal anfallen und könnten untereinander geteilt werden (Ein Prozess um 3000,00 € ist deutlich günstiger als 10 Prozesse um 300,00 €). Im Falle des Obsiegens erhielten dann alle beteiligten Eltern ihre Beiträge erstattet. Vorgelagert sollte jedoch zunächst selbst versucht werden, die Gebühren von der Stadt zurückzufordern. Der Jugendamtselternbeirat hat hierfür entsprechende Vordrucke entworfen. Es sollte auch bedacht werden, dass Sammelklagen auch ein politischen Mittel zur Unterstützung des Streiks sind.

Dr. Jacqueline Neumann/Eberhard Reinecke