Kollegen und Krähen – wie kollegial muss/darf man als Anwalt sein?

„Führen Sie auch Prozesse gegen Installateure“ ist eine eher selten gehörte Frage im Anwaltsleben, „Führen Sie auch Prozesse gegen Rechtsanwälte“ wird man schon eher gefragt. Wenn man wie ich ausdrücklich auf der Webseite darauf hinweist, auch Prozesse gegen andere Rechtsanwälte zu führen, erhält man auch Anrufe aus weit entfernten Städten, offenbar weil es nicht viele Anwälte gibt, die solche Mandate übernehmen. „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ wird auch von Anwälten gerne zitiert, wenn es um (angebliche) Kumpanei zwischen Prozessgegner und Zeugen und Sachverständigen geht. Auf sich selbst beziehen Anwälte dies eher selten, obwohl  es oft als unkollegial gilt, gegen andere Kollegen vorzugehen. In einem demokratischen Rechtsstaat ist es allerdings bedenklich, wenn das rechtssuchende Publikum den Eindruck bekommt, alle Anwälte stecken unter einer Decke. Das ist dann falsch verstandene Kollegialität. Was also ist kollegial?

Entenfahrer und Kollegen

Als ich noch Student war, fuhr ich eine Ente und wie das so üblich war, begrüßte ich jede entgegenkommende Ente mit der Lichthupe. Irgendwann allerdings fragte ich mich, ob es wirklich ausgemacht sei, dass alle EntenfahrerInnen dasselbe Lebensgefühl wie ich hatte, gewissermaßen meine geborenen FreundInnen wären. Ich habe dann aufgehört immer die Lichthupe zu betätigen. Ähnlich ging und geht es mir dann mit der Kollegialität. Hier habe noch nie nachvollziehen können, warum mir irgendjemand näher stehen soll als andere Menschen, nur weil er Anwalt ist.

Ich würde niemals mit jemanden ein persönliches Gespräch führen, der einen Vortrag über die „Ermordung von Rudolf Heß“ oder den „Volkstod“ der Deutschen hält. Ich glaube das geht auch den meisten meiner BerufskollegInnen so. Warum soll ich also small talk mit Rechtsanwälten halten, die solchen Ideen das Mäntelchen eines Beweisantrages umhängen und dann im Gerichtssaal rechtsradikale Propaganda betreiben. Dies sehen dann aber wohl eine Reihe von KollegInnen anders. Warum eigentlich? Es gibt z.B. mittlerweile auch ein Haufen von Anwaltskanzleien, die sich darauf spezialisiert haben, Betriebsräte zu zerschlagen oder Gewerkschaften in Betrieben zu bekämpfen (Wen das interessiert kann das bei arbeitsunrecht oder work-watch nachlesen). Ich finde dieses Geschäft widerlich und die Rechtsanwälte, die das machen, auch. Ist das jetzt unkollegial?

Höflichkeit, Kooperation und Kollegialität

Natürlich gibt es eine Höflichkeit gegenüber (den meisten) Berufskollegen. Die gibt es aber auch gegenüber (fast) allen anderen Menschen. Auch hier gibt es keine Unterschiede zwischen dem Verhalten gegenüber RechtsanwältInnen und anderen Menschen.

Kooperation ist zweifellos ein wichtiger Teil einer Kollegialität. Die Erkenntnis, dass mit Kooperation (auch über die einzelne Kanzlei hinweg) alle sich besser stehen, als mit Konkurrenz ist leider noch nicht so richtig verbreitet. Kooperation ist natürlich insbesondere in größeren Verfahren – wie dem NSU-Verfahren – sinnvoll, weil z.B. eine Aufteilung der Aktenbearbeitung für alle Beteiligte arbeitssparend ist. Allerdings: Voraussetzung der Kooperation sind gemeinsame Vorstellungen von der Prozessführung und die aktive Mitarbeit von allen Beteiligten. Ein Rechtsanwalt, dessen Aktenkenntnis auch nach 230 Verhandlungs­tagen so gering ist, dass ihm noch nicht aufgefallen ist, dass seine (nicht existierende) Mandantin in der Akte nicht vorkommt, wird im Rahmen einer Kooperation, die auf Bewältigung des Stoffes abzielt, kaum etwas beitragen können. Hängt man allerdings die Ziele der eigenen Tätigkeit im Prozess niedriger, so reicht selbst eine solche geringe Aktenkenntnis zur Kooperation für eine Presseerklärung. Es kommt also auch bei der Kooperation immer darauf an, was man vorhat.

„Tit for Tat“ – als regelnde Strategie der Kollegialität.

„Tit for Tat“ ist eine besonders erfolgreiche Strategie in dem Gefangenendilemma, einem Rollenspiel in der Spieltheorie. Man könnte das auch mit: „Man sieht sich immer zweimal im Leben“ umschreiben. Ich verhalte mich so, wie ich selbst behandelt werden will oder ich behandele andere RechtsanwältInnen so, wie sie mich bzw. meine Mandanten behandeln. Vieles was unter Kollegialität läuft, entwickelt sich einfach aus der Erkenntnis, dass es meistens für alle einfacher und stressfreier wird, wenn  man vernünftig miteinander umgeht.

Egal allerdings ob Höflichkeit, Kooperation oder „Tit for Tat“, an erster Stelle steht immer das Mandat und die Weisung des Mandanten. Kollegialität kann kein Grund sein, gegen die Interessen des Mandanten und/oder die eigenen Grundsätze zu verstoßen. Kollegialität hat auch nichts mit der Interessenwahrnehmung der „Anwaltschaft“ zu tun, die sicher erforderlich ist. Kollektiv für höhere Gebühren einzutreten, mag durchaus berechtigt sein. Im Einzelfall aber zunächst einmal sich wie die Kesselflicker streiten, um dann nach Vergleichsabschluss mit dem gegnerischen Kollegen Arm in Arm um einen möglichst hohen Streitwert (auf Kosten beider vertretener Parteien) einzutreten, ist durchaus bedenklich.

Soll man Berufskollegen wie Tote behandeln – darf ich fachliche Urteile über Kollegen abgeben?

Als besonders unfein gilt es, sich öffentlich über andere Kollegen und/oder deren Tätigkeit zu äußern. Warum eigentlich? Vom Installateursgewerbe hat der Anwalt zumeist keine Ahnung. Trotzdem wird er sich zumeist – wenn es ein solcher Fall in die Medien schafft – nicht mit seinem Urteil über den Pfusch des Installateurs zurückhalten. Liest man die Selbstanpreisung von Büchern über Rechtsanwaltskanzleien (am bekanntesten JUVE) so sollen diese auf „umfangreichen Recherchen bei Kanzleien“ beruhen, sie beruhen damit natürlich auch auf Bewertungen von Kollegen. Wenn man nicht nur Installateure sondern auch Berufskollegen bewertet, wird man sicherlich auch Negatives sagen können. „Über Tote nur Gutes“ heißt es im Volksmund. Es wäre doch fürchterlich, wenn das auch für Äußerungen über (lebende) Kollegen gelten soll. Natürlich sollte der Äußernde sich dann auch mit Nennung seines Namens zitieren lassen. Wenn das häufiger nicht geschieht, dann sicherlich auch, weil die Scheu besteht, als „unkollegial“ angesehen zu werden, wenn man nicht nur positive Äußerungen über Kollegen macht.

Anwälte in spektakulären Prozessen

Über Anwälte in spektakulären Prozessen wird gerne berichtet. Natürlich ist das zulässig und auch Anwälte können da über Berufskollegen ihre Meinung sagen. Nehmen wir etwa das Verfahren Erdogan gegen Böhmermann. Jan Böhmermann lässt sich durch Prof. Dr. Christian Schertz vertreten, ohne Zweifel einer der bekanntesten Medienrechtler in der Bundesrepublik. Fachlich ist Böhmermann damit in besten Händen. Aber Böhmermann hat auch eine politische Funktion – wie auch der Prozess mit Erdogan. Also ist sicherlich auch die Frage gestattet, ob Böhmermann und Prof. Dr. Schertz politisch zusammen passen. Soweit das öffentlich verfolgt werden kann, vertritt Prof. Dr. Schertz eher angebliche oder tatsächliche Medienopfer. Das allein steht natürlich einer professionellen Vertretung nicht entgegen. Bedenklicher sind dann aber schon öffentliche Äußerungen zu anderen Karikaturen, z.B. zur Karikatur der Titanic zu Papst Benedikt. Gerne klagt Prof. Dr. Schertz auch in eigener Sache, wovon wir einiges zu berichten hatten. Er ging auch in eigener Sache z.B. gegen diese Karikatur (im Ergebnis vergeblich) vor:

Völlig unbestritten entscheidet natürlich Böhmermann über seine Vertretung, aber zu fragen, ob das passt, ist sicherlich zulässig, auch als Anwalt. Wie weit Parteien und ihre Vertreter in spektakulären Verfahren zusammen passen, kann also ohne weiteres öffentlich erörtert werden. Nur wer selbst in einer Welt der permanenten Anwaltskonkurrenz lebt, könnte hinter solcher öffentlichen Kritik „Futterneid“ vermuten.

Eberhard Reinecke