Menschenwürde, Respektlosigkeit und Meinungsfreiheit

Die Pressekonferenz des FC Bayern aus medienrechtlicher Sicht

Zwar wird die Pressekonferenz des FC Bayern vom 19.10.2018 sicher nicht den Kultstatus erlangen, wie eine frühere Pressekonferenz das FC Bayern, trotzdem soll hier aus  medienrechtlicher Sicht einiges angemerkt werden, hatte Karl-Heinz Rummenigge es gleich zu Beginn der Pressekonferenz für erforderlich gehalten, Artikel 1 des Grundgesetzes zu zitieren: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Die Führung des FC Bayern verweist im weiteren Verlauf der Pressekonferenz auf ihren „Medienanwalt“, mit diesem dürften sie aber kaum die Frage von Artikel 1 GG diskutiert haben. In den ganzen 30 Minuten der Pressekonferenz wurde kein einziges Beispiel für eine Berichterstattung genannt, die gegen die Menschenwürde verstößt. Das häufigste Wort war „Respektlosigkeit“, die aber bekanntlich genauso wenig justiziabel ist,  wie auch die  Kommentierung irgend einer Presseäußerung durch die Führung des FC Bayern mit „Geht’s noch“ nichts über die Zulässigkeit der Äusserung aussagt . Auch was „nicht mehr geht“, kann eine zulässige Meinungsäußerung sein. Allerdings hat die Menschenwürde im Presse- und Äußerungsrecht durchaus eine besondere Bedeutung. Geht es nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Meinungsäußerungen, so gibt es 3 Abstufungen: Verletzt eine Äußerung tatsächlich die Menschenwürde einer anderen Person, so ist sie auf jeden Fall zu unterlassen, irgendeine Abwägung mit der Meinungsfreiheit findet nicht statt. Selbst in Fällen einer sogenannten Schmähkritik oder bei Formalbeleidigungen hat evtl. noch eine Abwägung stattzufinden, wenn diese auch zumeist zu Gunsten des Verbotes ausgeht. Bei „normalen“ Meinungsäußerungen – selbst äußerst scharf formulierten Äußerungen – wird aber in den allermeisten Fällen die Äußerung nicht verboten werden, weil die Meinungsfreiheit überwiegt.

 Verletzungen der Menschenwürde

Die Menschenwürde wird allerdings durch Äußerungen nur äußerst selten verletzt, das wurde z. B. auch durch das BVerfG bei einer Darstellung des früheren bayrischen Ministerpräsidenten Strauß als kopulierendes Schwein angenommen und auch ansonsten vor allen Dingen bei tiefen Eingriffen in die Intimsphäre oder Tiervergleichen . Die Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts hätten Rummenigge und Hoeneß ohne weiteres auch im Benetton-Urteil nachlesen können (Hier auch die Presseerklärung für den Überblick), das sich ausführlich damit auseinandersetzt, dass selbst im kommerziellen Bereich sogenannte Schockwerbung mit HIV-positiven Menschen nicht deren Menschenwürde verletzt. Es hätte den Rittern das Kampfes gegen die Respektlosigkeit eigentlich auffallen müssen, dass das BVErfG  ausdrücklich formuliert:

„Die Menschenwürde gilt absolut und ist mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig. Die Grundrechte sind insgesamt Konkretisierungen des Prinzips der Menschenwürde. Deshalb bedarf die Annahme, dass der Gebrauch eines Grundrechts die unantastbare Menschenwürde verletzt, stets einer sorgfältigen Begründung,….

Eine Anzeige mag in einem solchen Fall als befremdlich empfunden oder für ungehörig gehalten werden, ein Verstoß gegen Art.1 Abs.1 GG liegt jedoch nicht vor.“

Der gekreuzigte Klinsmann

Dementsprechend sind natürlich auch bisher bekannt gewordene Versuche von Fußballspielern oder Trainern gescheitert, sich auf die Menschenwürde zu berufen. Als etwa Klinsmann 2008 versuchte, gegen eine Karikatur in der TAZ vorzugehen, die ihn als Gekreuzigten zeigte, wurde er sowohl beim Landgericht München wie beim Oberlandesgericht mit seinen Anträgen abgewiesen. (Nicht ohne feine Ironie ist, dass der damalige Sturz von Klinsmann als Trainer des FC Bayern auch durch eine Heimniederlage von 2:5 am 5. Spieltag gegen Werder Bremen befördert wurde, bei der Werder bereits 5:0 führte und ein junger Spieler namens Özil nach der Pause das sicherlich mitentscheidende 3:0 schoss).

Der „einzuweisende“ Lehmann

Ebenso scheiterte Jens Lehmann mit einer Klage gegen Tim Wiese, den er als Fernsehmoderator kritisiert hatte, worauf Wiese mit:

„Der … soll in die Muppet Show gehen. Der Mann gehört auf die Couch. Vielleicht wird ihm da geholfen. Einweisen – am besten in die Geschlossene!“

zurückschlug. Wiese gab zwar freiwillig eine Unterlassungserklärung ab, weigerte sich aber, die geforderten 20.000,00 € Schmerzensgeld zu zahlen. Auch hier gab das Landgericht München II Tim Wiese Recht und stellte sogar noch fest, dass nicht einmal ein Unterlassungsanspruch bestanden hätte, d. h. Wiese nicht einmal eine Unterlassungserklärung hätte abgeben müssen, da seine Äußerungen durch die Meinungsfreiheit gedeckt seien.

Es ist also evident: Die Argumentation: Respektlosigkeit bzw. „geht’s noch“ = Verletzung der Menschenwürde = verboten, wird nicht funktionieren. Aus alledem ist auch leicht zu erkennen, dass eine Kritik wie „Altherrenfußball“ sicherlich nicht verboten werden kann.

FC-Bayern gegen Springer, das wird interessant

Das bedeutet allerdings nicht, dass Presse- und Fernsehorgane nicht mit juristischen Schritten von Bayern München rechnen müssten. Auf der Pressekonferenz brüstete sich die Führung damit, man habe eine Unterlassungsverfügung wegen der Berichterstattung der Springerpresse zur Kreuzband-OP des Spielers Tolisso erwirkt, eine weitere Unterlassungsaufforderung im Zusammenhang mit angeblichen Bemühungen um den Spieler Sancho vom BVB sei unterwegs.

An diesen Beispielen und der offenen Kampfansage wird allerdings deutlich, was der FC Bayern tatsächlich beabsichtigt. Es sollen also in Zukunft irgendwelche Artikel daraufhin durchgegangen werden, ob sich in ihnen unzutreffende Tatsachenbehauptungen befinden (was nun wahrlich nichts mit einer Verletzung der Menschenwürde zu tun hat). Dann soll abgemahnt werden. Und für sehr viele Veröffentlichungen gilt der Satz: Suchet, so werdet ihr finden.

So mag es dann vielleicht etwas schlecht recherchiert heißen, dass der Spieler A am Dienstag 30 Minuten zu spät zum Training gekommen sei. War es allerdings so, dass in Wirklichkeit Spieler B zu spät kam, kann man natürlich sofort Unterlassungsbegehren beginnen. War es hingegen A, der allerdings nicht am Dienstag, sondern am Mittwoch zu spät kam und/oder nicht eine halbe Stunde, sondern nur 10 Minuten, könnte es schon eng werden, ob in solchen Kleinigkeiten wirklich eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt. Da gibt es dann den fliegenden Gerichtsstand und vielleicht fliegt dann der FC-Bayern in eine norddeutsche Stadt, in der es in dieser Saison erstmals seit Gründung der Bundesliga keinen Erstligaclub mehr gibt, die Pressekammer am LG aber immer noch in der ersten Liga spielt und offen für solche Feinheiten ist. Eine solche Taktik könnte aber durchaus dazu führen, kleine Journalisten fertig zu machen, der Springer-Konzern dürfte aber ein anderes Standing haben. Doch es ist auch für grosse Verlage lästig sich ständig mit solchen Verfahren auseinandersetzen zu müssen. So sollen dann kleinere Nadelstiche dazu führen, dass dann doch nicht mehr über Altherrenfußball geschrieben wird und Manuel Neuer der Größte ist.

Wie dem auch sei. Die offene Kampfansage des FC Bayern an den Springer Verlag ist durchaus amüsant, wird sich doch zeigen, ob hier wie beim Ex-Bundespräsidenten Wulff der Grundsatz gilt: Wer mit der Bild-Zeitung nach oben fährt, fährt mit ihr auch wieder nach unten. Ich werde sicherlich nicht der einzige Beobachter sein, der amüsiert bei einer solchen Schlacht zusieht, die auf jeden Fall ein Gutes hat: Beide werden verlieren.

Eberhard Reinecke