Mit Alibiverfahren werden rechte Gewalttäter nicht bekämpft

Von „Tod – Wehner und Brandt“ bis zum Pegida-Galgen.

Die auf der Pegida-Demonstration getragenen Galgen lösen strafrechtliche Ermittlungen aus. Der Ausgang dieser Ermittlungen ist nicht schwer zu prognostizieren. Zumindestens ohne grundlegende Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes werden diese Ermittlungen eingestellt werden. Der Staatsanwaltschaft wird es im Endergebnis vielleicht sogar recht sein wird, wenn sie die Täter nicht ermitteln kann und schon aus diesem Grund das Verfahren einstellt.

Sie müsste sich dann nicht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auseinandersetzen, der sich im Jahre 1984 mit an die Wand gemalten Parolen: „Tod dem Klerus“, „Tod Wehner und Brandt“, „Tötet Cremer“, „Hängt Brandt“ auseinandergesetzt hatte. Hatte das Landgericht Würzburg darin noch eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten sowie Volksverhetzung gesehen, sprach der Bundesgerichtshof den Angeklagten insoweit frei. Man kann sich die Ausführungen des Bundesgerichtshofes dazu auf der Zunge zergehen lassen, wenn es dort heißt:

„Der Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten setzt eine bestimmte Erklärung an die Motivation anderer voraus, bestimmte Straftaten zu begehen (BGHSt 28, 312, 314). Die Aufforderung muß – dem Auffordernden bewußt – den Eindruck der Ernstlichkeit machen und diesen Eindruck machen sollen, braucht aber nicht ernst gemeint zu sein (von Bubnoff in LK, 10. Aufl. § 111 Rdn 8). …..
Die Formulierungen „Tod dem Klerus“ und „Tod Wehner und Brandt“ lassen zwar erkennen, daß der Tod der beiden Politiker und des Personenkreises, der mit dem Begriff Klerus umrissen ist, nach Meinung des sie Äußernden erwünscht ist. Vom Wortsinn her bleibt aber offen, ob der Tod durch eine strafbare Handlung herbeigeführt werden soll. Bei beiden Parolen kommt hinzu, daß sie verbal nicht zu einer Handlung auffordern und deshalb lediglich das Erwünschtsein des Todes der genannten Personen zum Ausdruck bringen. Auch wenn dennoch das Einverständnis mit einer Straftat gemeint sein sollte, so wäre das bloße Gutheißen solcher Straftaten nicht mit einer Aufforderung dazu gleichzusetzen. Die Erklärung, eine Straftat sei begrüßenswert, notwendig oder unvermeidbar, ist, wenn in ihr nicht die Kundgebung liegt, einen anderen zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen bringen zu wollen (vgl. von Bubnoff aaO Rdn 9), keine Aufforderung zu Straftaten, sondern lediglich die Befürwortung von solchen (BGHSt 28, 312, 314). Nach Streichung des § 88 a StGB durch das 19. Strafrechtsänderungsgesetz vom 7. August 1981 (BGBl I S. 808) ist die Befürwortung von Straftaten nicht mehr mit Strafe bedroht. ……
Die Parole „Tötet Cremer“ und die nach Auffassung der Strafkammer trotz ihrer Verstümmelung verständlichen Parolen (nämlich: tötet Cremer, hängt Brandt) fordern zwar verbal zu einem strafbaren Verhalten an bestimmt bezeichneten Personen auf. Ob sie objektiv den Eindruck erweckten, die Aufforderung sei ernstlich gemeint, bedarf aber der Prüfung, da nicht von vornherein auszuschließen ist, daß sie als unpassende Unmutsäußerungen eines Außenseiters zu verstehen sind, der in ungehöriger Form sein Mißfallen über die genannten Politiker zum Ausdruck bringen wollte.

Für den ebenfalls angesprochenen § 241 StGB (Bedrohung) gilt nichts anderes, auch hier muss von einer ernst gemeinten Drohung  ausgegangen werden:

„Der Tatbestand der Bedrohung in § 241 Abs. 1 StGB, der in erster Linie dem Schutz des Rechtsfriedens des Einzelnen dient, setzt das ausdrücklich erklärte oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Inaussichtstellen der Begehung eines Verbrechens gegen den Drohungsadressaten oder eine ihm nahestehende Person voraus, das seinem Erklärungsgehalt nach objektiv geeignet erscheint, den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken.“

Es ist also eindeutig: Ohne grundlegende Änderung der Rechtsprechung des BGH wird man die „Galgenträger“ nicht verurteilen können, selbst wenn man sie ermittelt.

Verschärfung von Gesetzen?

Ich will hier nicht missverstanden werden: Rassismus tötet und mit dem berühmten sarrazinschen „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“ beginnt rassistische Hetze, die in Brandanschlägen oder auch im Attentat auf Henriette Reker endet. Hier bin ich mit Pascal Beuker von der TAZ völlig einer Meinung, wenn er schreibt: „Einer hat zugestochen, Das Messer geführt haben viele.
Man darf sich aber keinen Illusionen hingeben: Springer wurde nie für den Mordanschlag an Rudi Dutschke verurteilt und genauso wenig werden die Parolengeber für eine konkrete Tat eines gewalttätigen Rechtsextremisten verurteilt werden können. Als es allerdings darum ging, den sogenannten Sympathisantensumpf (der RAF) auszutrocknen, war zwischen 1976 und 1981 die Billigung von und die Anleitung zu Straftaten nach §§ 88a und 130a StGB strafbar. Die Abschaffung dieser Straftatbestände wurde als Erfolg der Linken gefeiert.
Wahrscheinlich werden trotzdem bald wieder die Diskussionen um eine Verschärfung von Ge­setzen losgehen, mit denen man auch die Galgen bestrafen kann. Gesetze, die dann notwendig allgemein formuliert sind und auf eine Einschränkung der Meinungsfreiheit abzielen.

Einschränkungen der Meinungsfreiheit treffen vornehmlich die         Linken

Natürlich wäre es schön, wenn es ein Gesetz unter der Überschrift gäbe: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“. Realistischerweise wird man aber sehen müssen, dass ein solches Gesetz für sehr lange Zeit nicht durchsetzbar ist. Das Bundesverfassungsgericht tat sich bereits sehr schwer damit, die Leugnung des Holocaust nach § 130 StGB als zulässiges Strafgesetz zu bestätigen.  Es hat dort und in anderen Entscheidungen betont:

„Der Schutzbereich des Art 5 Abs 1 S 1 GG umfasst – in den Schranken des Art 5 Abs 2 GG – grundsätzlich auch die Verbreitung rechtsextremistischer Meinungen.“ (BVerfG, 1 BvR 1106/08)

Das ist schlimm, verweist aber darauf, dass im Kampf um die Meinungsfreiheit es immer nur allgemeine Einschränkungen geben wird und dass diese allgemeinen Einschränkungen aller Erfahrung nach dann auch immer gegen links eingesetzt werden. Warnendes Beispiel sollte hier das erste Strafrechtsänderungsgesetz aus dem Jahre 1951 sein, mit dem sämtliche Staatsschutzparagraphen wieder eingeführt wurden. Von der SPD ins Parlament eingebracht, weil man damit angeblich den Einfluss der NSDAP-Nachfolgepartei SRP eindämmen wollte, entwickelte es sich zum machtvollen Instrument zur Verfolgung von Kommunisten und zur Zerschlagung der KPD. Man wird also damit leben müssen, dass man sich mit Galgen und ähnlichen Symbolen auseinander setzt und den Kampf um die Meinungen führt.

Es gibt genug Möglichkeiten für die Strafverfolgung von
Rechtsextremen

Der wirkliche Skandal besteht doch darin, dass die täglich begangenen massiven Straftaten nicht in ausreichendem Umfang verfolgt werden, dass man all diesen Tätern nicht hinreichend auf die Füße tritt. Das BKA warnt vor wachsender Gewalt gegen Flüchtlinge und ihre Verteidiger. Es zählt bereits 500 Taten. Kommt das BKA auf 24 Brandanschlägen bis Ende September,  hat die Amadeu Antonia Stiftung schon mehr als 70 gezählt (hier der Stand Ende August). Selbst wenn dabei „lediglich“ einfache Brandstiftung begangen wurde, ist bereits eine Mindestfreiheitsstrafe von 1 Jahr verwirkt, bei versuchtem Mord (bewohnte Häuser) können Strafen bis lebenslang verhängt werden. Geht man von 100 Anschlägen aus sowie davon, dass bei jedem dieser Anschläge mindestens 3 Personen beteiligt waren, gibt es bereits 300 Täter, die es zu ermitteln gilt und die zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt werden können. Berücksichtigt man dann noch die Änderung im Rahmen von § 46 StGB für sogenannte Hassdelikte („Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“) so sind tatsächlich harte Strafen für die unmittelbaren Täter möglich und erforderlich. Natürlich müssen auch die übrigen Straftaten konsequent verfolgt werden.

Mindestens genauso wichtig wäre allerdings eine Polizeipräsenz und ein massive Strafverfolgung überall dort, wo Menschen eingeschüchtert werden, wo also nicht mit einem abstrakten Galgen, sondern sehr konkret mit Schlägen, Bedrohungen von Demokraten und auch noch ihren Kindern, etc. Politik gemacht wird. Die Opfer – auch von täglichen rechtsradikalen Beleidigungen – müssen ermutigt werden, Strafanträge zu stellen. Hier kann dann Polizei und Justiz beweisen, dass sie tatsächlich bereit sind, diese rechtsradikalen Straftaten zu ermitteln.

Gerade in den angeblich „national befreiten Zonen“ ist die Polizeipräsenz niedrig. Wenn Täter wissen, dass die nächste Polizeistation mindestens 30 bis 45 Minuten Fahrzeit entfernt ist, werden sie sich naturgemäß dreister aufführen, als bei einer regelmäßigen Beobachtung.

Die Realität allerdings sieht oft anders aus. Da schwadroniert selbst der Leiter des LKA Sachsen-Anhalt über die Möglichkeit, dass vielleicht ein Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim nicht von Rechten, sondern von Linken begangen wurde, die dies den Rechten nur in die Schuhe schieben wollten. Die Staatsanwaltschaft Köln geht gegen Personen vor, die im Rahmen des Wahlkampfes Plakate von Pro Köln abgehängt haben. Obwohl für das Plakat „Wut im Bauch – lass es raus“ nicht einmal ein wirksamer Strafantrag der Organisation Pro Köln vorlag, ermöglichte die Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung, in dem sie ausdrücklich das öffentliche Interesse an einer solchen Verfolgung bejahte.

Solange die erkennbaren rechtsradikalen Straftaten nicht ernergisch verfolgt werden, ist die Suche nach den Galgenträgern nur eine Alibiveranstaltung.
Eberhard Reinecke