Rechtsanwalt JuDr Borchert „Einer der erfahrensten Strafverteidiger in München“ – ein Portrait

Gespannt hatte ich auf das Plädoyer von „einem der erfahrensten Strafverteidiger in München“ (so die zurückhaltende Selbsteinschätzung auf der eigenen Webseite) gewartet, vor allem nachdem Rechtsanwalt Borchert in der Verhandlung vom 10.4.2014 auch noch angekündigt hatte, er habe in der Arbeitsteilung mit Rechtsanwalt Grasel für das Plädoyer den Part Beweiswürdigung übernommen (weiteres zum Plädoyer finden Sie hier). Zwar habe ich selbst neun Jahre länger Berufserfahrung als Rechtsanwalt Borchert. Doch nach fast fünf Jahren Prozessdauer zu plädieren, auch wenn ich kaum eine Zeugenvernehmung mitbekommen habe, diese dann aber würdigen, das hätte ich mir nicht zugetraut. Doch gleich am Anfang seines Plädoyers musste ich erfahren, dass die Nichtteilnahme an der Hauptverhandlung nicht etwa ein Hindernis bei der Beweiswürdigung ist, sondern eher die Möglichkeit der Beweiswürdigung verbessert. RA Borchert (diese Zitate geben Mitschriften wieder, sie können auch nur sinngemäss sein):

„Die juristische Bearbeitung der Beweisaufnahme ist mir trotz oder gerade wegen meiner Abwesenheit während Beweisaufnahme möglich. …. Grund sind nicht nur die Kenntnisse der Beweismittel anhand Akten und Mitschriften, sondern auch viele Stunden gemeinsamer Besprechungen mit der Mandantin. Die lassen mich ein ganz anderes Bild meiner Mandantin zeichnen, als von Bundesanwaltschaft und Nebenklage zu vernehmen war.“

Auf die Idee, dass – sinnbildlich – nicht nur Justitia selbst, sondern auch die Rechtsanwälte Binden über die Augen tragen sollten, weil sie dann den Prozess besonders gut würdigen können, muss man erst mal kommen.

Was sagt uns die Wahl dieses Verteidigers über Frau Zschäpe?

Wie Frau Zschäpe tatsächlich tickt, haben wir im Laufe des Verfahrens nie richtig feststellen können. Ich habe schon einige Psychologen getroffen, die (natürlich nur von außen und auch ohne Kenntnis der Akten) eine stabile 13-jährige Dreier-Beziehung im Untergrund nur für möglich halten, wenn Zschäpe die bestimmende Person war.

Ein Puzzlestück ihres Geisteszustandes erschließt sich aber nach den skurrilen Auftritten des Sachverständigen Prof. Bauer und des Rechtsanwaltes Borchert (wahrscheinlich zwei von den wenigen Menschen mit denen Frau Zschäpe nach der Inhaftierung gesprochen hat). Frau Zschäpe scheint ein Faible für Personen zu haben, die gleich den – für sie günstigen – „Durchblick“ haben, ohne sich groß in die Niederungen der Tatsachenfeststellung zu begeben. Noch eines haben beide gemeinsam: Ihre ausgeprägte Eitelkeit und Selbstüberschätzung. Legendär die Aussage von Prof. Bauer, er habe sein Gutachten einigen Kollegen gezeigt, die ihm bestätigt hätten, dass es ein wirklich gutes Gutachten sei.

Beide halten es auch wohl auch für selbstverständlich, dass das Gericht ihren Einschätzungen der Angeklagten folgen muss. Bei Professor Bauer mag das seiner Unerfahrenheit in gerichtlichen Gutachten geschuldet sein, bei RA Borchert erfolgt dies wider besseren Wissens. Dass das Gericht in irgendeiner Weise seine Beteuerung verwerten könnte, er habe in einer Vielzahl von Besprechungen ein anderes Bild von Frau Zschäpe gewonnen, kann er nicht ernsthaft glauben. Die Besprechungen zwischen RA Borchert und Zschäpe könnten nur dann berücksichtigt werden, wenn sie zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden, also RA Borchert sich als Zeuge für den Inhalt der Besprechungen anbietet.

Aber in anderen Punkten unterscheiden sich RA Borchert und Prof. Bauer. So etwa dürfte grundsätzlich der Nachweis wissenschaftlicher Fähigkeiten bei Professor Bauer vorliegen, woran man bei RA Borchert zweifeln kann. Er bezeichnet sich nicht nur als „einer der erfahrensten Strafverteidiger in München“, sondern unterhält auch „eine der führenden Strafrechtskanzleien in München“. Der Unterpunkt auf der Webseite zum Thema „Kanzlei“ enthält allerdings nur ein Bild des Meisters und einer Angestellten, unter dem Punkt „Kontakt“ sucht man die Anschrift dieser „führenden Strafrechtskanzlei“ vergeblich, dort scheint die Kanzlei in einem Handy zu hausen, im Impressum erfährt man eine andere Anschrift als im Vollmachtexemplar. Fachanwalt für Strafrecht scheint Herr Borchert nicht zu sein, so nennt er sich dann einfach „Rechtsanwalt für Strafrecht“, ein nicht weiter geschützter Titel.

Schweigen oder Geständnis

Dass die Einlassung von Frau Zschäpe erlogen war haben viele Prozessbeobachter festgestellt. Es scheint auch nicht die Stärke von RA Borchert zu sein, bestreitende Einlassungen mit der Mandantin zu erarbeiten. Auf seiner Webseite heißt es:

„Deshalb nochmals der von jedem Strafverteidiger mit Nachdruck erteilte Rat: Schweigen, sich den Rat eines Strafverteidigers einholen und sodann reagieren, wie auch immer.

Ein Beispiel dazu: Im bundesweit bekannten Kachelmann-Prozess hat Herr Kachelmann vom Zeitpunkt seiner Verhaftung an bis zur Urteilsverkündung geschwiegen, seine Verteidiger haben im monatelangen Prozess erreicht, dass das Gericht von seiner Schuld nicht überzeugt war – mit dem bekannten Ergebnis. Dieser Fall ist ein exemplarisches Beispiel dafür, dass Schweigen zum Erfolg führen kann. Natürlich ist in vielen Fällen das Geständnis die richtige Taktik, aber ich sage, alles zu seiner Zeit und nach rechtskundiger Beratung.

Zusammengefasst: Erst schlaumachen, dann handeln.“

Wie schlau hatte sich Frau Zschäpe gemacht? Und warum wirft RA Borchert den Altverteidigern vor, sie hätten Frau Zschäpe zum Schweigen geraten? Und warum hat RA Borchert, nachdem er sich schlau gemacht hat, nicht zum Geständnis geraten?

Was ist ein JUDr? oder besser, was ist er nicht

Das aber ist noch alles nichts gegen die Eiertänze um den (nicht vorhandenen) Doktortitel. RA Borchert führt den Titel „JuDr“, kein Mensch weiß ohne Wikipedia, was das ist. Auf dem Vollmachtexemplar auf der Webseite sieht das dann so aus (kleines JU und grosses Dr.):

Borchertund mach einer mag (und soll vielleicht auch) denken, dass das nur eine andere Schreibweise von Dr. jur. ist. Nun handelt es sich allerdings mitnichten um einen Titel, der irgendwie einem Doktortitel vergleichbar ist sondern eher in einer mündlichen Ergänzungsprüfung zu einem Magisterabschluß besteht. In Wikipedia lesen wir etwas zu den „kleinen Doktortiteln“, die man in Tschechien oder der Slowakei erwerben kann:

„Die kleinen Doktorgrade werden nicht der dritten Stufe der Bologna-Klassifikation (Doktor-Ebene) durch die Hochschulgesetze beider Länder zugeordnet. Der Erwerb dieser Grade steht nicht im Zusammenhang mit eigenständiger wissenschaftlicher Forschung. Er ist nicht mit einem Doktorgrad in Deutschland und Österreich äquivalent. Derzeit werden folgende kleine Doktorgrade verliehen:

JUDr. – Doktor der Rechte (cs, sk: doktor práv, la: juris utriusque doctor)“

Gerne täuscht Rechtsanwalt Borchert über die Wertigkeit seines Doktortitels, und „verzichtet“ deshalb auch – gegen das Gesetz – darauf, die Universität zu nennen, an der der Titel erworben wurde. In Artikel 68 des bay. HochschulG heißt es unmissverständlich:

„Ein ausländischer akademischer Grad, der von einer nach dem Recht des Herkunftslandes anerkannten Hochschule …. auf Grund eines tatsächlich absolvierten und ordnungsgemäß durch Prüfung abgeschlossenen Studiums verliehen worden ist, kann in der Form, in der er verliehen wurde, unter Angabe der verleihenden Institution genehmigungsfrei geführt werden“

Rechtsanwalt Borchert wirbt auf seiner Webseite nicht mit Kenntnissen der tschechischen und/oder slowakischen Sprache. Ich gehe deshalb auch davon aus, dass er diese Sprachkenntnisse nicht hat. Andererseits: Nach Internetrecherchen gibt es aber keine Universität in diesen Ländern an der man Juristerei in einer anderen als der Landessprache studieren kann. Wenn das so ist: wie ist dann das Studium „tatsächlich absolviert“ worden? Der nicht vorhandene Doktortitel hindert allerdings Rechtsanwalt Borchert nicht daran auf seiner Webseite zu behaupten:

„Zivilrechtliche Haftungsprobleme der Firmengeschäftsführer, die Gegenstand meiner Doktorarbeit waren, haben mich zur weiteren Spezialisierung im Umweltstrafrecht und Steuerstrafrecht sowie zum Rechtsanwalt für Strafrecht geführt.“

Eine Doktorarbeit ohne Promotion. Was soll das sein. Wie lautet der Titel der Doktorarbeit und wo kann man sie nachlesen? Es sicherlich kein Zufall, dass die Phantomarbeit gerade zu einem Thema  „geschrieben“ wurde, wo das Geld lockt, nämlich zu Problemen in den Chefetagen (Wer weis, ob nicht Herr Winterkorn sich jetzt nicht des Sachverstandes von RA Borchert bedienen wird).

Zusammengefasst deuten wir das von außen so: Frau Zschäpe braucht einen Anwalt, der zumindest ihr das Gefühl gibt, sie sei gar nicht so kriminell wie alle behaupten, RA Borchert braucht die Mandantin für sein öffentliches Image; nur eine scheinbare Win-Win Situation, da Frau Zschäpe langfristig durch diese Verteidigung verlieren wird, mal ganz von den Opfern abgesehen, auf deren Rücken diese Verteidigung ausgetragen wird.

Eberhard Reinecke