„Frau Zschäpe sagen Sie umfassend und wahrheitsgemäss aus“ – Teil 2 des Plädoyers von RA Hardy Langer

Mit freundlicher Genehmigung des Kollegen Langer dokumentieren wir sein Plädoyer in zwei Teilen. Teil 1 zum NSU Mord in Rostock, der akribisch den Ablauf nachzeichnet und auch die Ermittlungen der Polizei. Er hat Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Frau Zschäpe eventuell selbst an der unmittelbaren Tatausführung beteiligt war.Das Plädoyer fand positive Resonanz in der Presse (Süddeutsche und SPIEGEL-Online). Teil 2 befasst sich mit einzelnen Aspekten von Aussagen der Angeklagten Zschäpe und weiteren Aspekten der Ceska-Serie. (RA Langer selbst hat in seinem Plädoyer die Angeklagten und die verstorbenen Täter abgekürzt: BZ=Beate Zschäpe, UM=Uwe Mundlos, UB=Uwe Böhnhardt, RW=Ralf Wohleben, AE = André Eminger, HG = Holger Gerlach, CS = Carsten Schulze. Andere Abkürzungen sind von mir im Rahmen der Veröffentlichung vorgenommen worden. E.Reinecke)

B. Die Senat und die Erwartungen an ihn  Die Angeklagten mit Bezug zur Ceska-Mordserie

Im zweiten Teil komme ich zu verschiedenen Aspekten dieses Verfahrens.

1. Eingangs erlaube ich mir einige Worte zum Senat:
a) Ich habe großen Respekt vor dem Vorsitzenden, der mit dem heutigen  Tag 400 HVTe hochkonzentriert geleitet hat bzw. leitet, der eine außergewöhnliche  Kenntnis des Aktenstoffes offenbart hat, der eine – fast  stoische – Geduld gegenüber vielen (durchaus auch zulässigen) „Störmanövern“  (der Verteidigungen) gezeigt hat. Er leitete die Verhandlung  mit großer Umsicht und tritt jedem Verfahrensbeteiligten professionell  und freundlich gegenüber. Bei den nicht unüblichen, wenigen, kleinen,  hitzigen Scharmützeln zeigt der Vorsitzende, daß er auch durchaus  energisch werden kann und schafft es so, die Verhandlungsleitung fest  in der Hand zu behalten. Ggf. sorgt er notfalls mit einer spontanen Pause  für eine schnelle Beruhigung aller erhitzten Gemüter. Mir erschien der Vorsitzende gegenüber Zeugen, die offenkundig stärker  an der Wahrheit vorbeigingen und einigen – fast freistilartigen – Anträgen  der Verteidigungen zu großzügig, aber das Ergebnis der bisher  übervorsichtig geleiteten Hauptverhandlung wird ihm später wohl Recht  geben.  Nicht zu vergessen ist: Ihm zur Seite stehen auch die weiteren Senatsmitglieder,  die wir – bis auf Verlesungen – zumeist schweigend erleben,  aber bei denen davon auszugehen ist, daß sie nicht nur den Verfahrensstoff  genauso präzise kennen, sondern bei den vielen auch zeitnah verkündeten  und stets exakt formulierten Beschlüssen ihre Handschrift hinterließen.  Ich persönlich finde es ein wenig schade, daß bei diesem  Senat offenbar die ungeschriebene Regel gilt, daß nur der Vorsitzende  selbst Fragen stellt, nicht aber die einzelnen Senatsmitglieder. So war für  die anderen Verfahrensbeteiligten immer recht zuverlässig die Befragung  durch das Gericht beendet, wenn der Vorsitzende sich erkundigte: „Hat  der Senat noch Fragen?“. Ich finde jedoch, es hätte keine Schwächung  der Rolle des Vorsitzenden bedeutet, wenn die Senatsmitglieder direkt  aus dem Verlauf der Verhandlung Fragen gestellt hätten.

b) Der Senat hat mit großer Sachlichkeit ein sehr umfangreiches Beweisprogramm,  einschließlich zahlreicher Beweisanträge der Nebenkläger  (und natürlich auch der Verteidigungen) abgearbeitet. Dabei wurde  zahlreichen Beweisanträgen nachgekommen, etliche wurden mit akribischer  Begründung abgelehnt – natürlich nicht zur Überzeugung und Zufriedenheit  der Antragsteller. Da beziehe ich mich selbst mit ein. Auch  fand ich viele Beweisanträge meiner Nebenklägervertreterkollegen, denen  der Senat schließlich nicht nachging, engagiert, wohldurchdacht, im Sinne einer weitgehenden Aufklärung des NSU-Komplexes sehr sachbezogen  und äußerst sinnvoll. Und mich hätten auch die Ergebnisse solcher  Beweisanträge, wäre man ihnen nachgegangen, interessiert.  Wenn der Senat allerdings davon ausgeht, daß diese nicht unbedingt  zwingend zur Feststellung der Tat-, Schuld- und Straffrage der hiesigen  Angeklagten waren, wird dies schwer zu beanstanden sein.  Es ist eine Gratwanderung, da zwar der Senat ein Ermessen hat, wie  umfangreich der Sachverhalt aufzuklären ist. Er steht dabei jedoch vor  dem Dilemma, die Rechte der Angeklagten möglicherweise zu beeinträchtigen,  wenn ein Verfahren deutlich länger dauert als notwendig. Es  ist also ein steter Kampf zwischen einer umfassenden Aufklärung und  der notwendigen Begrenzung eines umfangreichen Prozeßstoffes. Sehr  leicht hätte das Nachgehen aller abgelehnten Anträge das Verfahren um  ein weiteres Jahr oder mehr „verlängert“. Letztlich mußten die Kollegen  der Nebenklage, die den Senat dafür kritisierten, alle einräumen, daß sie  von einer Aufklärung durch das Gericht in dem Umfang ausgehen, daß  damit eine Verurteilung gemäß den Anträgen der GBA erfolgen kann.  Damit steht aber inzident im Umkehrschluß fest: Eine Ausweitung der  Beweisaufnahme im Sinne des Strafprozeßrechts ist nicht angezeigt. Es  ist wie bei einem gut komponierten Schachproblem. Alle Figuren die auf  dem Brett stehen, müssen für die richtige Lösung und alle Nebenvarianten  eine konkrete Funktion haben. Jede weitere Figur auf dem Brett, die  die Lösungsvarianten zwar nicht beeinträchtigt, aber letztlich ohne Funktion  ist, stellt einen groben Kompositionsfehler dar.

c) Ein hoher Druck lastet auf dem Senat. Besonders in dreierlei Hinsicht:

aa) Zuerst die Erwartungen der Opfer: Sie erwarten nicht nur eine angemessene  Verurteilung der Täter entsprechend ihrer Schuld, sie wünschen  auch Ausführungen im Urteil, die der historischen und politischen  Dimension des Verfahrens gerecht werden, die auch deutlich machen,  daß gerade die strafprozessualen Beschränkungen keinen Schlußpunkt  für die Aufklärung der Verbrechen und ihre Hintergründe darstellen können.  Dies kann und darf der Senat in seinem Urteil tun.
bb) Danach die Erwartungen der breiten Öffentlichkeit. Ich nehme es  vorweg: Diese kann und wird der Senat nicht erfüllen. Denn es gibt sie ja  gar nicht, die „breite Öffentlichkeit“. Es gibt nur viele Einzelpersonen, die  auch mit einem völlig unterschiedlichen Kenntnisstand zur NSUProblematik  ausgestattet sind. Da gibt es eine breite Skala: Abgeordnete  mit vertiefter Kenntnis, die in den verschiedenen Untersuchungsausschüssen  zum NSU mitgearbeitet haben oder mitarbeiten; Medienvertreter,  die in die Problematik gut eingearbeitet sind und zeitnah, sachkundig  und teilweise auch mit sehr langem Atem berichten; dann die geschärft aufmerksamen  Interessenten, die zur Thematik erschienene Bücher gelesen  haben und sorgfältig die Medienberichterstattung verfolgen, die  vielleicht auch eine Sitzung selbst als Zuschauer im Saal miterlebt haben;  dann die durchschnittlichen Zeitungsleser, die Berichte zu diesem  Prozeß interessiert nicht überblättern; dann schon Personen, die genervt  reagieren, wenn Sie nur NSU-Prozeß hören und damit ein niemals endendes  Verfahren und hohe Kosten verbinden; bis hin zu – vergleichsweise  wenigen – Verschwörungstheoretikern aller Lager und einiger unverbesserlicher  Ewiggestriger. Die Erwartungen all diese Gruppen sind  unbeachtlich.
cc) An letzter Stelle, aber keineswegs letztrangig: Die Erwartungen der  Angeklagten: Auf ein faires Verfahren. Das sage ich nicht nur so hin.  Denn trotz des hohen Aufwandes und des langen Verfahrens müssen  die Angeklagten davon ausgehen dürfen, daß der Senat bis zum letzten  Schlußwort der Angeklagten die Sache ergebnisoffen hält.  Bitte halten Sie mich nicht für naiv. Natürlich weiß ich, daß eine Überzeugungsbildung  sich nicht erst dann auf Gongschlag einstellt. Natürlich  weiß ich, daß die Haftbefehle, gerade wenn Sie durch den BGH bestätigt  wurden, eine Richtung „vorgeben“ oder „freimachen“. Natürlich ist mir  klar, daß der Senat die Beweisaufnahme nicht schließen könnte, wenn  er nicht schon eine recht gewisse Tendenz für ein Ergebnis hätte. Die  Senatsmitglieder sind Menschen und Menschen bei Entscheidungsprozessen  sind kaum rational zu erfassen, oft weiß es der Einzelne selbst  nicht, was letztlich den Ausschlag für eine Entscheidung gibt und wann  diese innerlich gefallen ist. Ein Korrektiv ist hier, daß sich die fünf Senatsmitglieder  gegenseitig immer wieder „überprüfen“ sollen.  Der Senat muß für jeden Angeklagten seine individuelle Rolle tatsächlich  feststellen und rechtlich bewerten und jeweils eine gerechte Strafe aussprechen.  Das sagt sich leicht hin, ist aber schwer angesichts eines Verfahrensstoffes,  der so umfangreich ist, daß erst nach über vier Jahren  Prozeßdauer die Feststellung der Tat-, Schuld- und Straffrage der hier  sitzenden Angeklagten geklärt erscheint.

2. Dies vorausgeschickt, nun einige Ausführungen zu den einzelnen Angeklagten,  die einen Bezug zur Ceska-Mordserie aufweisen.

Diese können  nach dem in weiten Teilen sehr gründlichen und überzeugenden  Ausführungen der GBA und zahlreichen von Nebenklägervertretern angesprochener  Aspekte nur vereinzelte Punkte betreffen. Ich will hier auf  solche zu sprechen kommen, die ich für erwähnenswert erachte und die  bislang nicht oder in einem anderen Sinne angesprochen wurden. Dabei  komme ich zunächst zu drei vom Zentrum des NSU weiter entfernten  Angeklagten – CS, RW, HG – und zuletzt zur Angeklagten BZ.

a) CS, RW, HG

aa) Zu CS hat die GBA weitgehend alles gesagt, dem auch zuzustimmen  ist. In wenigen Details, die ggf. zu einer etwas anderen Bewertung führen  können, ist meines Erachtens zu differenzieren.  Zunächst: CS hat umfassend ausgesagt und ist – aus meiner Sicht –  glaubwürdig. Diese Glaubwürdigkeit ergibt sich daraus, daß er sich offensichtlich  bemüht hat, sein Wissen zu den verschiedensten Punkten  umfassend mitzuteilen, auch zu einigen Umständen, die seinerzeit den  Behörden nicht bekannt waren. Wann immer man Objektivierbares zu  seinen Aussagen fand, stimmte es im Wesentlichen überein. Natürlich  verblassen Details in der Erinnerung, wenn Sie aus damaliger Sicht weniger  Bedeutung hatten. Das hat die GBA sehr aufwendig und detailreich  dargelegt, dabei zeitliche Abfolgen sehr differenziert herausgearbeitet  und sich auch nicht gescheut, eine Auseinandersetzung mit den Teilaspekten  zu betreiben, die den eigenen Thesen gegenläufig erschienen. Dabei hat OStA Weingarten – durchaus nachvollziehbar – herausgestellt (insbesondere am 379. HVT, 01.08.2017, vormittags), daß er gewisse –  seiner Meinung nach auftretende – Unebenheiten in der Aussage des  CS sieht. Diese führt er auf ein Erklärungsmuster zurück, wonach CS  offen und unbeeindruckt von Nachteilen für sich selbst und andere über  objektive Vorgänge berichte. Subjektiv aber gäbe es Bereiche, die er  nicht ganz genau schildere, weil er die Konsequenzen solcher Erkenntnisse  vor sich selbst nicht vorbehaltlos eingestehen will. Dafür liefert  OStA Weingarten mehrere Beispiele, die grundsätzlich eine solche Erklärung  tragen können.  Eines dieser Beispiele empfinde ich dort als zu Unrecht eingeordnet.  CS schilderte, daß RW in seiner Anwesenheit ein Telefonat mit UB/UM  führte und nach der Beendigung des Gesprächs gelacht und gesagt habe:  „Die haben jemanden angeschossen.“, wobei er das Lachen RWs so  nach dem Motto „die Idioten“ in Erinnerung habe. Hier will die GBA den  Vorgang auf die Zeit vor der Waffenübergabe im Frühjahr 2000 einordnen,  und unterstellt CS, daß er das Gespräch nur deshalb auf die Zeit  nach der Waffenübergabe verlegen würde, weil er den Umstand der Erkenntnis  (vor der Waffenübergabe), daß UB/UM tatsächlich auf Menschen  schießen, von sich wegschieben wolle. Begründet wird dies auch  damit, daß der Jemanden-angeschossen-Vorfall nicht der Vorgang des  Luftgewehrschusses in der Wolgograder Allee im Juni 2000 sein könne,  sondern es müsse sich, so OStA Weingarten, auf den Schuß beim  Raubüberfall im Dezember 1998 nach Verlassen des Edeka-Marktes bezogen  haben.  Das überzeugt mich nicht.

(Im Folgenden begründet RA Langer dies umfangreich, auf den Nachdruck wird hier verzichtet)

bb) RW hat dieses Telefonat stets abgestritten, obwohl ich überzeugt  bin, daß er sich gut daran erinnert. Ihm ging es dabei darum, die Glaubwürdigkeit  CSs zu schmälern, der damals keine objektivierbare Bestätigung  für diesen Vorgang erbringen konnte und eine solche damals auch  unter keinen Umständen zu erwarten war. Es mag sogar sein, daß ihm diese taktische Unwahrheit damals prozessual  „richtig“ erschien, es ihm aber jetzt nicht mehr gut möglich ist, dies  zu korrigieren, weil er damit seine Glaubwürdigkeit insgesamt unterminieren  könnte. Denn er hat in seiner verlesenen Erklärung am 251. HVT  (16.12.2015) dieses von CS geschilderte Telefonat nicht nur vehement  bestritten, sondern noch einen Alternativsachverhalt mitgeteilt, mit dem  CS „sein“ Telefonat verwechselt haben müsse (Er müsse wohl ein angebliches  Telefonat mit dem Zeugen Andre Kapke oder dem Zeugen Tino  Brandt meinen, von denen einer über Schußverletzungen bei einem  Dritten während eines Südafrika-Urlaubs berichtet hätte.)  RW hat hier selbst eine Erklärung verlesen und sich dann grundsätzlich  den Fragen aller Verfahrensbeteiligten gestellt. Jedoch hat er – wie bereits  RA Hoffmann in seinem Plädoyer erwähnte – trotz mehrfacher  Nachfrage verschiedener Nebenklagevertreter sein Paßwort zum Öffnen  der noch verschlüsselten Festplatte nicht herausgegeben (Ass. 24.1.3.1,  PC Revoltec, obere Festplatte; BKA-Vermerk, SAO 550, Bl. 204). Die  Begründung, die er lieferte, ist nicht sehr plausibel. Angeblich wäre diese  Festplatte ohnehin nur eine datengleiche Spiegelung der bereits offenen  Festplatte auf demselben PC. Dann gibt es allerdings keinen Grund, dies  nicht durch Paßwortherausgabe kurz überprüfen zu lassen. Es ist RW  immer noch möglich, das Paßwort zu benennen und damit seine Glaubwürdigkeit  zu erhöhen.

cc) Nun etwas ausführlicher zu HG.

Detailliert hat OStA Weingarten am 381. HVT (01.09.2017, nachmittags)  für RW und CS die Voraussetzungen der Beihilfe subsumiert und dabei  zugleich einen imposanten Überblick über die umfangreiche Gedankenwelt  der BGH-Rechtsprechung zu diesem Thema – bis in dieses Jahr  hinein – gegeben. Dort will ich auch nicht weiter einhaken.  Problematisch erscheinen mir die Ausführungen zu HG, soweit diese  auch die Mordfälle der Ceska-Serie betreffen. OStA Weingarten kommt  hier zum Ergebnis, daß keine Beihilfe zum Mord anzunehmen sei. Dabei  stellt er die Unterstützungshandlungen und den dazu korrespondierenden  Kenntnisstand HGs in Vergleich zu AE und zeigt den nach seiner  Ansicht dafür entscheidenden Unterschied auf. Auch damit möchte ich  mich nicht beschäftigen.  Mich interessiert vor allem, was OStA Weingarten in seiner Prüfung nicht  explizit untersucht hat: den Vergleich in Unterstützungshandlung und  Kenntnisstand zwischen RW/CS einerseits und HG andererseits.  Um hier nicht uferlos zu werden, beschränke ich meine nachfolgenden  vergleichenden Betrachtungen allein auf den Mordanschlag auf Mehmet  Turgut am 25.02.2004 in Rostock, der besonders plastisch verdeutlicht,  daß hier ein qualitativer Unterschied schwer sichtbar ist oder ein solcher  so hauchdünn sein muß, daß er nicht jedem sofort erkennbar wird.

(1) Durch den mittäterschaftlich begangenen Mord mit der Ceska 83 mit  Schalldämpfer am 25.02.2004 liegt eine Haupttat durch die aus  UB/UM/BZ bestehenden Vereinigung NSU vor.

(2) Der objektive Gehilfenbeitrag von RW und CS liegt in der Beschaffung  der Schußwaffe Ceska 83 mit Schalldämpfer und ihrer Übergabe an  UB/UM. Der objektive Gehilfenbeitrag von HG liegt in der Beantragung  und Übergabe des Führerscheines (Ass. 1.4.31.0) und der Mitwirkung an  der Erstellung eines Paßbildes seiner Person, das der UBs täuschend  ähnlich sah. Obwohl eine Kausalität der Gehilfenhandlung nicht notwendig  ist (Fischer, StGB, 64. Auf. 2017, § 27, Rn. 14), liegt eine solche in  beiden Fällen vor. Ohne die konkret eingesetzte Ceska 83 hätte der  Mord so nicht erfolgen können, ohne den Führerschein hätte UB nicht  als – scheinbar – legitimierter Fahrer im Straßenverkehr das Wohnmobil  von Chemnitz nach Rostock führen können. Dadurch kamen die Haupttäter  an den Tatort. Ferner war dieser Führerschein zwingend notwendig,  um das Wohnmobil überhaupt erst anmieten zu können (SAO 84, 34, auf  HG ausgestellte Rechnung). Dies ist auch nichts Neues, denn bereits  OStA Weingarten sah die objektive Gehilfenhandlung auch bei HG bereits  erfüllt. Die Rechtsprechung macht ferner – auf der Ebene der Prüfung  der Tatbestandsmäßigkeit der Beihilfe – keinen Unterschied über  den „Wertgehalt“ der geleisteten Gehilfenbeiträge (hier: Schußwaffe oder  Führerschein). Es geht nur um die Frage einer objektiven Förderung der  Haupttat.

(3) Auch gibt es hier kein Problem beim Zeitpunkt der Beihilfehandlung.  Dies spricht eher sogar gegen HG: Denn während RW/CS die Waffe zu  einem Zeitpunkt übergeben haben, als die Haupttäter selbst noch gar nicht zur Mordserie entschlossen gewesen sein dürften und es hier in  Bezug auf den Fall in Rostock sogar mehrere Jahre bis zur Ausführung  dauerte, gibt es bei der Beihilfehandlung von HG durch Verschaffung  des (Ersatz-) Führerscheins deutlich engere zeitliche Bezüge. Der von  HG für UB beantragte (Ersatz-) Führerschein wurde am 04.02.2004 ausgestellt  und somit 3 Wochen vor dem Mord an Mehmet Turgut am  25.02.2004 ausgegeben. Offenbar warteten die Haupttäter dringend auf  diesen Führerschein, um ihre Mordserie fortsetzen zu können. Auch hatten  die Haupttäter bereits vier Menschen in gleichartiger Begehungsweise  ermordet und waren nun entschlossen, diese Mordserie fortzusetzen.  Es lag also hier, anders als bei RW/CS im Zeitpunkt der gewährten Beihilfe,  bereits der konkretisierte Tatentschluß der Haupttäter vor.  Richtig hatte jedoch OStA Weingarten unter Verweis auf zwei BGH Entscheidungen  (BGH, Az.: 3 StR 48/52, Urteil vom 24.04.1952, Juris-  Rn. 5; Az.: 3 StR 49/16, Urteil vom 20.09.2016, Juris-Rn. 17) ausgeführt,  daß es nicht darauf ankommt, ob der Haupttäter im Zeitpunkt der Beihilfe  bereits zur Haupttat entschlossen ist. Auch kommt es nicht darauf an, ob  ein längerer Zeitraum zwischen Beihilfehandlung und Haupttat liegt.  Um es somit klar zu sagen: Herr Gerlach, Sie sind o b j e k t i v in jedem  Fall neben UB/UM/BZ die gleichwertige Ursache für die Ermordung  von Mehmet Turgut. Ohne Bereitstellung Ihres beantragten (Ersatz-)  Führerscheins Anfang 2004 wäre dieser Mord nicht durchführbar gewesen!  Denn dann hätten UB/UM nicht am 23.02.2004 ein Wohnmobil auf  Ihren Namen anmieten können. OStAin Greger vermerkte am 376. HVT  (26.07.2017, vormittags), daß die Gruppe UB/UM/BZ einen „eigenen“  Führerschein genau deshalb erlangen wollte, um zukünftig die Fahrzeuge selbst anmieten zu können. UB hatte keinen gültigen Führerschein.  Der Führerschein war notwendig, damit die seit 2001 unterbrochene  Mordserie fortgesetzt werden konnte. Bei Mehmet Turgut gab es – ich  sprach es bereits an – eine weitere Besonderheit. Er war nicht der Inhaber  des Imbißstandes in Rostock-Toitenwinkel, sondern half dort zeitweise  aus. Wenn Ihr Führerschein nicht gewesen wäre und UB sich alternativ  woanders etwas Vergleichbares hätte organisieren müssen, ist es unrealistisch,  daß er dies kurzfristig noch im Februar 2004 geschafft hätte.  Selbst wenn sich UB/UM/BZ auf einem anderen Wege später einen Führerschein  besorgt hätten und auch von ihrem Vorhaben nicht abgelassen  hätten, in Rostock-Toitenwinkel einen Menschen zu ermorden, hätten sie  mit Sicherheit dort nicht Mehmet Turgut angetroffen. Für Mehmet Turgut  war Ihr UB zur Verfügung gestellter (Ersatz-) Führerschein genauso tödlich  wie die Ceska 83. Sie haben es der seit 2001 30 Monate lang  schlummernden, mit einer tödlichen Schalldämpferpistole bewaffneten  Zeitbombe NSU ermöglicht, sich zum Rostocker Tatort zu bewegen und  dort zu explodieren!

(4) Die subjektive Seite der jeweiligen Beihilfehandlungen stellt sich mir  im Vergleich RW/CS zu HG wie folgt dar: (Es folgen umfangreiche – insbesondere juristische – Ausführungen zur Beihilfe, die hier nicht dokumentiert werden.)

b) BZ

Ich komme zu BZ und ausgewählten Punkten ihrer schriftlich vorbereiteten  Einlassung, die von ihren „Neu“-Verteidigern verlesen und von ihr  bestätigt wurde. Die Auswahl hängt auch damit zusammen, daß zahlreiche  Punkte bereits von der GBA oder anderen Nebenklagevertretern besprochen  wurden und ich Wiederholungen vermeiden möchte. Daher  beschränke ich mich auf folgende fünf Punkte:

aa) „Fackel ab“ (BZ-E 1 – 249. HVT, 09.12.2015, S. 11 f.) 

(1) BZ führte aus, am 26.01.1998 hätte sich UB, während der Hausdurchsuchung  bei ihm, entfernt und sei mit seinem Auto davongefahren.  Er hätte BZ angerufen, ihr gesagt, daß „die Garage aufgeflogen“ sei und  von ihr wörtlich verlangt „Fackel ab“. Sie habe sich dann eine 0,7-Liter-  Flasche besorgt, diese an „der Tankstelle“ aufgefüllt und sei mit dieser  Flasche unter dem Arm zur Garage gelaufen, um mit Hilfe des Benzins  das dort gelagerte Propagandamaterial zu verbrennen. Ganz in der Nähe  der Garage hätte sie jedoch mehrere Personen, die anscheinend ihr  Auto reparierten, wahrgenommen. Dieser Umstand hätte sie davon abgehalten,  das Benzin in der Garage auszuschütten und anzuzünden, da  sie wegen des dortigen Schwarzpulvers befürchtet habe, die Garage  könnte explodieren. Unverrichteter Dinge habe sie sich dann in die Wohnung  der Eltern des Volker H. begeben, wo sie UB/UM getroffen hätte.

(2) Der Sinn dieser Einlassung ist klar. BZ möchte hier darstellen, daß  sie trotz der Aufforderung seitens UBs kein Feuer gelegt hat, weil sie  sich um die unbeteiligten Personen gesorgt hätte. Dies soll offenbar  auch abfärben auf die Vorgänge der von ihr am 04.11.2011 verursachten  Brandexplosion in der Frühlingsstraße 26, wo sie auch vorgegeben hat,  sich umsichtig zuvor erkundigt zu haben, ob Personen gefährdet sein  könnten.  Verkürzt: Brände und Brandexplosionen veranlasse ich nur, wenn keine  Menschen dabei zu Schaden kommen.  Fragen beantwortete sie zu diesem Punkt nicht.

(3) Die Einlassung ist in diesem Punkt nicht glaubhaft.  BZ hat nicht erläutert, wie sie auf die Schnelle eine 0.7-Liter-Flasche, deren  Öffnung deutlich schmaler ist als die Öffnung eines Benzinzapfhahns,  an einer Tankstelle befüllt haben will. Sie sagte auch nicht, an  welcher Tankstelle dies geschehen sein soll. Auch sagte sie nichts dazu,  daß eine Tankstelle weniger als einen Liter gar nicht abrechnet und es  auch sehr auffällig gewesen wäre, eine solche Mindermenge in einem  untauglichen Gefahrgutbehälter zu transportieren und etwa damit zur  Bezahlung an die Kasse zu gehen. Ebenfalls sagt sie nichts dazu, wo sie  die mit Benzin gefüllte Flasche letztlich gelassen haben will und wie UB  auf diese „Befehlsverweigerung“ reagiert hat.  Entscheidend ist jedoch, daß diese Angaben rein zeitlich nicht aufgehen. Die Durchsuchung der Garage Nr. 5 an der Kläranlage begann bereits  um 8:15 Uhr und endete um 13:00 Uhr (etwa ThUA-Abschlußbericht 5.1,  Drs. 5/8080, Rn. 1089). Die polizeiliche Außensicherung der Garage begann  schon um 6:45 Uhr und wurde bis 12:00 Uhr aufrechterhalten  (aaO.). UB hat sich jedoch erst zwischen 8:30 Uhr und 9:00 Uhr von den  Durchsuchungsmaßnahmen in der Garagen Nr. 6 ggü. der Wohnung  seiner Eltern, Richard-Zimmermann-Straße, entfernt (aaO., Rn. 1080).  Somit konnte BZ frühestens 8:30 Uhr das „Fackel ab“ von UB telefonisch  vernommen haben. Sie benötigte aber noch Zeit zum Befüllen einer Flasche  mit Benzin und sie mußte den Weg zu den Garagen an der Kläranlage  zu Fuß zurücklegen. Dort konnte sie aber nicht mehr angekommen  sein und die von ihr mitgeteilten Überlegungen angestellt haben. Denn  dieses Objekt war seit Stunden umfassend gesichert und vor der Garage  Nr. 5 selbst und im Umfeld war bereits ein massives Polizeiaufgebot  sichtbar.  Hier zeigt sich, daß die gesamte Geschichte mit „Fackel ab“ und der 0,7-  Liter-Flasche mit Benzin frei erfunden ist.

bb) Auch die Darstellung BZs zur Inbrandsetzung der Wohnung in der  Frühlingsstraße 26 unter Absicherung, daß die Nachbarin Frau Erber  n i c h t in Ihrer Wohnung geweilt hätte, ist nicht stimmig (BZ-E-1 –  249. HVT, 09.12.2015, S. 37 ff.). In ihrer eigenen Einlassung belegt BZ  selbst, daß sie nicht sicher sein konnte, daß Frau Erber nicht zu Hause  war.

(1) BZ hätte sich, bevor sie das Benzin verschüttet habe, zur Wohnung  Erber begeben und dort geklingelt, um sie zu warnen und zu veranlassen,  aus dem Haus zu gehen. Sie habe geklingelt und niemand habe  geöffnet. Danach habe sich BZ wieder in die eigene Wohnung begeben.  Dort habe sie ihre zwei Katzen in deren Korb gesetzt, danach ihre Tasche  gepackt und auf den Flur gestellt. Danach will sie abgeklärt haben,  ob die Handwerker im Dachgeschoß zugegen sind. Dazu hätte sie erst  überprüft, ob deren weißer Transporter im Umfeld vor dem Haus parkte.  Dann sei sie ein paar Treppenstufen nach oben gelaufen und habe sich  mit einem lauten „Hallo“ bemerkbar gemacht. Dabei habe sie noch die  Gehörprobe auf Arbeits- und Musikgeräusche angestellt. Dann sei sie  zurück in ihre Wohnung gegangen und habe die Kamera kontrolliert und  festgestellt, daß der Transporter der Handwerker nicht zugegen war.  Nun habe sie etwa die Hälfte der sog. Bekenner-DVD´s, aus dem Abstellraum  geholt und diese in den Briefkasten gesteckt, der sich vor dem  Haus befand. Dann sei sie wieder zurück in die Wohnung gegangen und  hätte in allen Räumen das Benzin verteilt verschüttet.

(2) Wenn dieser Ablauf unterstellt würde, konnte BZ gerade nicht sicher  sein, daß – jedenfalls in Bezug auf die Wohnung Erber – niemand mehr  in der anderen Haushälfte aufenthältlich ist. Die Vielzahl von der Angeklagten  durchgeführten Tätigkeiten im Anschluß an den mutmaßlichen  Klingelversuch an der Wohnungstür Erber bedeuten allerwenigstens  10 Minuten, realistischerweise 15 bis 20 Minuten Zeit bis zum Anzünden  ihrer Wohnung. Allein die gründliche Verteilung des Benzins in der großen  Wohnung dürfte realistischerweise 10 Minuten gedauert haben.  Selbst wenn also zur Zeit des Klingelversuches Frau Erber nicht zugegen  gewesen wäre, konnte BZ nicht „gutgläubig“ davon ausgehen, daß 10 bis 20 Minuten später sich keine Person in der anderen Haushälfte  aufhielt. Wie wollte sie auch ausschließen, daß sich nicht gerade in dieser  Zeit jemand in eine der Wohnungen der anderen Haushälfte begeben  hat? Sie konnte also erkennbar bei einer solchen Zeitspanne nicht  sicherstellen, daß sich bei Inbrandsetzung eines Hauses mit mehreren  Wohnhaushalten keine Personen mehr darin befanden.

(3) Da der von BZ geschilderte Ablauf also lebensfremd ist und auch  keine objektiven Anhaltspunkte dafür sprechen, ist es naheliegend, daß  solche Warnungen an Personen, die sich im Haus Frühlingsstraße  26/26 a aufhielten oder hätten aufgehalten haben können, seitens  BZs nicht veranlaßt wurden. Hierbei fällt auch ins Gewicht, daß sie etwa  Fragen der Nebenkläger zu dieser Thematik nicht beantwortete (etwa  RA Langer, 295. HVT, 06.07.2016, Fragen zu Pkt. 10). 

cc) Ein weiterer Punkt ist die Einlassung BZ zu der sog. Bekenner-DVD.  Diese ist zum einen in sich widersprüchlich, zum anderen ist die Darstellung  technisch unmöglich.

(1) Zuerst führt BZ ein, daß sie 2000/2001 aus Gesprächen von UB/UM  erfahren haben will, daß UM ein Video „über die Raubüberfälle“ planen  würde (BZ-E-1 – 249. HVT, 09.12.2015, S. 46).  In den Jahren 1998 bis 2001 wurden jedoch lediglich 5 Raubüberfälle  begangen, so daß sich schon die Frage stellt, was der Stoff sein soll, der  einen DVD-Film dafür hergibt.Es gab allenfalls kleine Zeitungsartikel in Lokalblättern und 1999 im  Fernsehen einen Kripo-Live-Bericht über den ersten Raubüberfall von  1998. Es wurden später im sog. „Zeitungsarchiv“ keine Artikel zu den  Raubtaten gefunden, ebensowenig der Mitschnitt der Kripo-Live Sendung  von 1999. Auch wird BZ widerlegt durch die tatsächlichen sog.  Vorgängerversionen, in denen kein einziger Raubüberfall erwähnt ist.  Ebenso wurde bei dem umfangreichen Material an Filmsequenzen, die  nicht in der Endfassung oder den beiden Vorgängerversionen des sog.  Bekennervideos verwendet wurden, kein Bezug zu einem der Raubüberfälle  gefunden.  Ferner widerspricht BZ sich in ihrer weiteren Einlassung selbst:

„Uwe Mundlos wollte, daß alle Beweise im Zusammenhang mit  ihren Taten vernichtet werden und der einzige Beweis ihres  Tuns die DVD sei.“ (aaO., S. 34)  „Wie schon beschrieben sollte einerseits ihre persönliche Habe  vernichtet werden, andererseits der Öffentlichkeit mitgeteilt  werden, daß sie es waren, die die Morde begangen hatten.“  (aaO., S. 36)

Damit hat sie genau belegt, daß sie wußte, daß die DVD die Mordtaten  behandelte. Falsch ist hierbei vor allem, daß BZ den Inhalt der DVD in  der verschickten Fassung nicht gekannt hätte. Denn wenn sie selbst –  was jedoch falsch ist – davon ausging, daß „der Öffentlichkeit mitgeteilt  werden“ sollte, daß die Personen UB/UM es gewesen sein sollten, „die  die Morde begangen hatten“, mußte sie davon ausgehen, daß ihre eigene Rolle dabei mit anklang. Dazu war offenkundig bekannt, daß UB/UM  mit BZ gemeinsam in den Untergrund gegangen sind und dann die erste  Frage der Ermittler ihrer Person gegolten hätte. Dies alles konnte sie nur  ausschließen, weil sie den Inhalt der DVD kannte, sie also wußte, daß  auf der DVD kein einziger Bezug zu den Personen UB/UM – und auch  nicht zu ihr selbst – hergestellt wurde. Sonst hätte sie doch die adressierten  und frankierten Briefumschläge mit den sog. Bekenner-DVDs  nicht vor ihrer Flucht in den Briefkasten geworfen, da ihr zu diesem Zeitpunkt  selbst noch nicht klar war, ob sie sich stellen würde.  Es ist aber auch absolut lebensfremd, daß BZ zwar von allen Mord- und  Sprengstofftaten 2000 bis 2007 wußte, ebenso daß über Jahre eine DVD  erstellt wird, die über „die Morde“ und (angeblich) ihre Mörder berichtet,  die über viele Monate in großer Kopienanzahl in der Wohnung Frühlingstraße  26 in adressierten Briefumschlägen steckten und BZ sich nicht  einmal eine der zahlreichen DVD-Kopien angesehen haben will. Dennoch  will sie diese DVDs in erheblicher Anzahl (mindestens 15 Stück)  blindlinks verschickt haben.

(2) Parallel dazu ist die Unkenntnis vom Inhalt der DVD durch ihre Mitwirkung  daran widerlegt, wie dies bereits OStAin Greger bei der Auswertung  des Wetteinsatzes von 200 Videoschnitten angerissen hat. Diese  Wette stammte aus dem Jahre 2005. BZ erläuterte den Hintergrund dieser  Wette „200 x Videos schneiden“ (BZ-E 1, aaO., S. 47). Es sei darum  gegangen, daß der Verlierer hätte „200 Videoclips auf unserem Festplattenrecorder  schneiden müssen“. Dies sei so zu verstehen gewesen, daß  Werbepausen aus Filmen oder TV-Serien – so wörtlich – „herauszuschneiden“  gewesen wären.     53  BZ hat in ihrer schriftlich verlesenen Einlassung an zwei Stellen ausdrücklich  auf „unseren Festplattenrecorder“ bzw. auf Aufnahmen „auf der  Festplatte unseres Recorders“ verwiesen (BZ-E 1, aaO., S. 47).  Die Erklärung BZs, die sie dafür liefert, ist technisch mit dem im damaligen  Haushalt befindlichen DVD-Recorder (Panasonic DMR E-55) nicht  möglich gewesen.

(2.1) Die Aussage der Zeugin KOKin Pflug vom 325. HVT (29.11.2016)  belegt, daß diese Einlassung BZs zum Komplex der Wette vom  24.11.2005 (Datei wette.cpt) unplausibel ist und der Wetteinsatz von  u. a. „200 x Videoclips schneiden“ nicht mit dem Herausschneiden von  Teilen aufgenommener TV-Serien auf einer Festplatte eines Recorders  erklärt werden kann.  Zum einen war es mit den in der Frühlingsstraße aufgefundenen bespielten  Medien (DVD-R) technisch nicht möglich, da diese nur einmal beschrieben  werden konnten und nachträgliche Änderungen („Schneiden“)  unmöglich waren. Außerdem zeigte sich weiter, daß die Signatur auf den  aufgefundenen Medien (DVD-R) im Rahmen einer Brennertypbestimmung  ergab, daß diese mit einem DVD-Laufwerk des Gerätes o h n e  Festplatte (Panasonic DVD-Videorecorder DMR-E55) erstellt worden waren.  Die Angaben der Zeugin KOKin Pflug wurden im Detail durch die Bekundungen  der Zeugen KOK Huthwelker und EKHK Willkomm am 327. HVT (01.12.2016) zu den von Ihnen jeweils durchgeführten Untersuchungen  bestätigt.

(2.2) Entscheidend kommt hinzu, daß der Inhalt der Wette („200 x  Videoclips schneiden“) mit dem von BZ belegten Inhalt („Wiederholungen  zu Beginn, Werbeeinblendungen, Abspann“ aus einem aufgenommenen  Film herauszuschneiden“) nicht mehr vom Wortlaut getragen  wird. Bei einem „Videoclip“ handelt es sich umgangssprachlich um eine  kurze Filmsequenz. Das „Schneiden“ in diesem Zusammenhang kann  nur die Bedeutung haben, eine solche kurze Filmsequenz von einem  größeren Filmteil abzutrennen und zu bearbeiten oder wenn eine solche  Abtrennung schon vorliegt, diese Filmsequenz weiter zu bearbeiten und  abzuspeichern. Das Ergebnis ist immer eine kurze Filmsequenz, also ein  Videoclip. Nur dieses Ergebnis wäre auch im Sinne der Wette zählbar  gewesen.  Auch der BKA-Sachverständige Willkomm bekundete, daß sprachlich ein  „Videoclip“ einen kurzen Videoteil darstellt. Das Herauslöschen von  nichtbenötigten Teilen aus einem bereits vollständigen Film oder einer  Folge einer TV-Serie wird umgangssprachlich als „Werbung löschen“  oder ähnlich benannt. Niemand würde dies als „Videoclip schneiden“ bezeichnen.  (2.3) Hinzu kommt das – in der Frühlingstraße 26 aufgefundene – von  UM erstellte Schriftstück (Ass. 2.12.20), das zum einen zeigt, daß es  sehr einfach ist und nur wenige Schritte notwendig sind, um Videoclips  am Computer zu schneiden, selbst ohne vertiefte Kenntnis. Andererseits  belegt dieses, daß die Hinweise offenbar für jemanden erstellt wurden,     55  der diese Einzelschritte noch nicht beherrschte und dem damit eine Art  Bearbeitungsanleitung gegeben wurde. Die Inaugenscheinnahme und  Verlesung des Ass. 2.12.20 erfolgte am 351. HVT (07.03.2017).

(2.4) BZ hat explizit in Bezug auf ihre vorerwähnte verlesene Erklärung  vom 09.12.2015 keine Fragen zu dieser Thematik beantwortet (vgl.  RA Langer, Frageliste vom 295. HVT, 07.06.2016, S. 5 f. unter 14.) und  insbesondere nicht zu den vorgenannten Widersprüchen Stellung genommen.  Daraus darf das Gericht die naheliegende Schlußfolgerung  ziehen, daß die Wette vom 24.11.2005 sich nicht auf das fernliegende  Herausschneiden von Werbung u. a. aus TV-Serien bezog, sondern auf  Vor- und Zuarbeiten von Teilabschnitten (Videoclips) für das später erstellte  sog. Bekennervideo in der Paulchen-Panther-Fassung.

dd) Im nachfolgenden Beispiel geht es um die letzten Tage des NSU, die  Zeit vom 01. bis 04.11.2011. Es soll gezeigt werden, daß BZ jedenfalls  einen wesentlichen Sachverhaltsteil verschweigt. Sie bringt nur das vor,  was die Faktenlage aus der Anklageschrift, den Akten und dem Stand  der Beweisaufnahme bereits ergeben hat. Sie versucht, so gut es geht,  sich am Bekannten und Offensichtlichen „entlang zu hangeln“.

(1) BZ hat knapp dargestellt, daß UB/UM am 04.11.2011 – so wörtlich –  „überfällig“ gewesen wären, nachdem Sie ein Objekt für einen Raubüberfall  auskundschaften und am Dienstag (das war der 01.11.2011) „Geld  besorgen“ wollten (BZ-E-1 – 249. HVT, 09.12.2015, S. 36). Dann habe  sie über das Radio erfahren, daß in Thüringen ein Wohnmobil entdeckt  worden sei, daß gebrannt habe, daß Schüsse gefallen seien und von  zwei Leichen im Wohnmobil die Rede gewesen wäre. Ihr sei sofort klar gewesen, daß dies UB/UM gewesen sein müßten. Daraufhin kam es  dann zu den Ereignissen um die Explosion in der Frühlingsstraße 26. Am  04.11.2011 hätte sie keinen telefonischen Kontakt mehr zu UB/UM gehabt  (BZ-E-2 – 257. HVT, 21.01.2016, S. 18).

(2) Dies soll suggerieren, daß BZ in keine Einzelheiten von UB/UM eingewiesen  gewesen sei. Fragen der Nebenklägervertreter beantwortete  BZ hierzu nicht (u. a. RA Langer, 295. HVT, 06.07.2016, Frageliste unter  A. 11.).

(3) Tatsächlich war BZ bei der Abholung des angemieteten Wohnmobils  am 25.10.2011 anwesend (BZ-E 1, aaO., S. 36). Der ursprüngliche  Rückgabezeitpunkt des Wohnmobils war laut Vertrag (SAO 47, 279) für  den 04.11.2011, 12:00 Uhr, in Schreiersgrün (ca. 40 km von der Frühlingsstraße  26 entfernt) vorgesehen und ihr somit bekannt. Daher ist ihre  Einlassung in diesem Punkt schon offensichtlich unvollständig, weil sie  scheinbar zu einem Zeitpunkt auf UB/UM gewartet haben will, zu dem  der Raubüberfall längst beendet gewesen sein sollte – nach Ihrer Aussage  am 01.11.2011 – und zu dem das Wohnmobil schon wieder hätte  abgegeben worden sein müssen. Die Zeugin B. Kn. von der Autovermietungsfirma  sagte hier am 54. HVT (11.12.2013) aus, daß das  Wohnmobil am 03.11.2011 bis zum 07.11.2011 oder auch um eine ganze  Woche verlängert wurde (ferner SAO 47, 327).  Ich gehe davon aus, daß der Überfall am Freitag, den 04.11.2011, auf  die Sparkasse in Eisenach „nur“ ersatzweise erfolgte. Der ursprünglich  geplante Überfall sollte am Mittwoch, den 02.11.2011, auf die Sparkasse in Gotha, Humboldtstraße 86, erfolgen. Zu dieser Sparkasse berichtete die Zeugin KOK Buhl am 239. HVT (21.10.2015) über besonders detaillierte  Ausspähunterlagen (SAO 250, 16; Ass. 1.4.197.0).  Im Wohnmobil wurde eine Quittung vom 02.11.2011, 9:56 Uhr, für den  „Kaufland“, Bürgeraue 2 in Gotha (Ass. 1.5.37.2) sichergestellt – dies ist  nur ca. 800 m Fußweg von der ausgespähten Sparkasse entfernt. Da  UB/UM die Raubüberfälle weitgehend um den Beginn der Öffnungszeiten  begingen, gehe ich davon aus, daß hier am 02.11.2011 diese Sparkasse  zu Beginn der Öffnungszeiten ausgeraubt werden sollte. Aus unbekannten  Gründen ließen UB/UM an diesem Tag von ihrem Vorhaben  ab und nahmen von diesem Objekt endgültig Abstand. Sie suchten dann  den dicht daneben befindlichen „Kaufland“ auf. Ich gehe ferner davon  aus, daß BZ über all diese Umstände unterrichtet war und uns auch erklären  könnte, was dazu geführt hat, den Raubüberfall von Gotha auf Eisenach  „umzuplanen“. Es ist ja völlig lebensfremd, wenn BZ am Dienstag,  den Dienstag, den 01.11.2011, eigentlich einen Banküberfall erwartete  (BZ: „Geld besorgen“), dann aber angeblich nichts Konkretes von  der Umplanung des Überfallobjekts und der Verlängerung der Mietzeit  des Wohnmobils erfahren haben will. Sie soll einfach 3 Tage ohne Nachricht  gewartet haben, um dann plötzlich am Freitag, den 04.11.2011,  nachmittags „gezielt“ das Radio einzuschalten (BZ-E-2, S. 17), wo ihr  sogleich die Nachricht von dem brennenden Wohnmobil entgegen kam.  Offensichtlich will BZ den tatsächlichen Zeitpunkt und Nachrichtenweg  über die eingetretene Änderung der Planung verbergen, um sich zu  UB/UM als außenstehend zu verorten. Ebenfalls will sie nicht offenbaren,  auf welchem Weg sie am 04.11.2011 die eingetretene Entdeckung des Wohnmobils in Eisenach und die Mitteilung von UB/UM über das bevorstehende  Ende bekommen hat.  Denn auch aus der Sicht UBs/UMs scheint es abwegig, daß diese am  04.11.2011 das sichere „Ende des NSU“ erkannten, aber keine Mitteilung  an ihre „Zentrale“ in der Frühlingsstraße 26 gemacht haben sollen.  Sie konnten nicht davon ausgehen, daß BZ irgendwann einmal das Radio  anmacht und dann zufällig eine entsprechende Meldung von dort erhält  und diese inhaltlich so klar ist, daß BZ die Ereignisse sofort richtig  zuordnen würde. Wo sie ja angeblich nicht einmal gewußt haben will, in  welcher Gegend UB/UM genau unterwegs waren. Dies muß insbesondere  gelten, da beide – also UB/UM – ja unbedingt sicherstellen wollten,  daß ihr Vermächtnis – die in der Frühlingstraße 26 bereitliegenden frankierten  und adressierten Briefumschläge mit den sog. Bekenner-DVDs –  noch auf den Postweg gebracht werden sollten. Dagegen spricht auch  der Zusammenhang zwischen der polizeilichen Entdeckung des brennenden  Wohnmobils und der zeitlich zügig nachfolgenden Explosion der  Wohnung Frühlingsstraße 26.  Für mich stellt es sich so dar, daß BZ die gesamte Zeit vom 01.11.2011  bis zum 04.11.2011 mit UB/UM in Kontakt stand. Sie erfuhr von diesen  direkt, daß sich bezüglich des zunächst ins Auge gefaßten Überfalls  Zeitpunkt und Geldinstitut geändert hatten, daß UB/UM den Wohnmobilmietvertrag  über den 04.11.2011 hinaus verlängert hatten. Schließlich  bin ich davon überzeugt, daß UB/UM ihr auch am 04.11.2011 direkt mitteilten,  daß deren Ende bevorstünde.

ee) Nun komme ich zu einem letzten Punkt in der Einlassung BZs. Wie  schon kurz erwähnt, besteht die Einlassung BZ vorwiegend aus dem  „Einräumen“ von Fakten, die offenkundig waren, insbesondere wenn es  objektive Beweismittel gab, die einfach nicht wegzureden waren.  Indes mag es auch Stellen in Ihrer Aussage geben, die – soweit es wohl  ihr aus ihrer eigenen Sicht nicht zu schaden scheint – Erklärungen enthalten,  die nicht voll die Linie der Anklage stützen und die – mir jedenfalls  – durchaus plausibel erscheinen, wenn externe Fakten hinzugezogen  werden.  Es geht um das Motiv für die Mordanschläge auf die beiden Polizisten in  Heilbronn am 25.04.2007.  BZ teilt hierzu knapp mit, UB/UM hätten ihr zum Mord und Mordversuch  in Heilbronn gesagt, daß „es ihnen nur um die Pistolen der zwei Polizisten  ging“ (BZ-E-1, aaO., S. 33). Die GBA geht in Ihrer Anklage und in  ihrem Plädoyer davon aus, daß es hier um einen Angriff auf die Polizei  als die verhaßten Repräsentanten des Staates ging. Als Indiz verwies  OStAin Greger (377. HVT, 27.07.2017, nachmittags) auf die Hand der  Trickfilmfigur des rosaroten Panthers, der im sog. Bekennervideo (Endfassung  bei 1:53 min.), die mit einer Pistole auf einen durchs Bild laufenden  Polizisten schoß. Davon bin ich nicht überzeugt. Dies ist ein – geschmackloses  – Gestaltungselement, kann aber keinen festen Tatentschluß  für einen Mordanschlag auf Polizisten belegen, der erst ca. 1 Jahr  später erfolgte. Dies kann aber offenbleiben. Denn selbst eine solche unterstellte  Planung besagt nicht, aus welcher Motivation ein derartiger Anschlag  geplant gewesen wäre. Ein weiteres Indiz soll laut OStAin Greger (377. HVT, aaO.) sein, daß  zwei Tatorte der Ceska-Mordserie in Nähe einer Polizeistation lagen und  dies den Mitgliedern der türkischen Gemeinschaft die Machtlosigkeit des  Staatsapparates aufzeigen sollte. Dies habe – so OStAin Greger – durch  die Ermordung von Polizisten selbst noch gesteigert werden sollen. Letzterem  Argument folge ich nicht. Die Ermordung von Polizisten durch den  NSU mit dem Zweck, die Schutzlosigkeit der türkischen Bürger in diesem  Land zu belegen, würde aus der Sicht und Logik der Täter erfolgreich  sein, wenn diese Mordanschläge auf Polizisten ebenfalls mit der „bekannten“  Ceska 83 erfolgt wären. Nur dann könnte sich der potentiellen  Zielgruppe der Zusammenhang erschießen. Wie sollte denn sonst ein  durch die Ceska-Mordserie (die in Nürnberg, Hamburg, München, Rostock,  Dortmund, Kassel stattfand) verängstigter türkischer Mitbürger ein  Jahr nach dem letzten Mord in Kassel einen Bezug zur Ermordung bzw.  versuchten Ermordung zweier Polizeibeamter in Heilbronn mit zwei völlig  anderen Handfeuerwaffen herstellen?  Auch bestünde in der Herangehensweise eine deutliche Diskrepanz zur  Ceska-Serie: Hier gab es als einzige sog. Tattrophäe in den ersten drei  Fällen ein Foto des Opfers kurz nach der Tat, aber sonstige „Beweis bzw.  Erinnerungsstücke“ wurden nicht mitgenommen. Eine Ähnlichkeit  im Vorgehen wäre aber zu erwarten gewesen, wenn bei der Tötung wegen  der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe lediglich die Gruppe  geändert werden sollte (bisher türkischstämmig aussehende Personen,  dann Polizisten). Dagegen spricht auch das hohe Risiko, nach der Tat noch längere Zeit  am Tatort zu verbleiben, der nicht – wie bei der Ceska-Mordserie – im  Schutze eines Ladengeschäfts bestand, sondern aus einer offenen Fläche,  weithin einsehbar. Es mußte insbesondere noch sehr auffällig sein,  wenn zwei Zivilpersonen mit ihrem gesamten Oberkörper von außen in  einen Polizeiwagen hineinragten. Dieses Risiko geht nur der ein, der genau  das haben will, um deren Willen er die Tat beging – die Polizeiwaffe.  Wem es darum geht – nach dem gleichen Muster der Ceska-Mordserie –  Personen aus einer ausgewählten Personengruppe (hier: Polizisten) zu  töten, tut dies und zieht sofort wieder ab. Der bleibt nicht vor Ort und  müht sich ab, neben der ersten Pistole – die ja sog. „Beweis“ oder sog.  „Tattrophäe“ genug gewesen wäre – auch noch die zweite Waffe mit irrsinniger  Kraft und erheblichen zeitlichen Aufwand zu bekommen. Ich erinnere  hier an die Aussage des Sachverständigen Dipl.-phys. Merkel  vom 77. HVT (22.01.2014), der bekundete, daß das Aufbrechen des  Waffengürtels einer Kraft von 49 Kilopond bedurfte. Das entspricht – so  der Sachverständige weiter – dem Anheben eines Gewichts von 49 kg.  Es wird also klar, was für ein erheblicher Aufwand an Kraft und Zeit betrieben  wurde, um auch an die zweite Waffe zu kommen.  Das Hauptindiz befindet sich – nach meiner Meinung – aber auf der  Festplatte von UM. Dort hat er den vielen Einzelsequenzen (bzw. Clips),  die dann zu dem Video zusammengestellt wurden, Namen gegeben, die  aus seiner Sicht- und Denkweise passend waren. Bei der rassistischen  Ceska-Mordserie nannte er die Clips mit den einzelnen Mordopfern abfällig  ali1.avi, ali2.avi, ali3.avi usw. (EKHK Dern, Vermerk: Erkenntnisse  zu dem sog. NSU-Video, Anlage 2, SAO 229.1, 58 ff., 75). Konsequent in dieser Denkweise UMs würden die Dateinamen oder -ordner beim Mord an Polizisten zu abfälligen Bezeichnungen führen, die sich auch hier gegen die Opfer richten: etwa bulle1.* und bulle2.* oder so ähnlich.  Aber hier heißt der gesamte Ordner für das Material zum Mord in Heilbronn  „Aktion Polizeipistole“ (SAO aaO., 60). Dies deutet für mich unverkennbar  darauf hin, daß eben die Beschaffung von Polizeipistolen im  Mittelpunkt dieser Tat stand und der kaltschnäuzige Mord nur Mittel zum  Zweck war, an ebendiese Waffen zu gelangen.  Und im Abschlußbild des sog. Bekennervideos sind Bilder von der Trauerfeier  der ermordeten Polizistin Michelle Kiesewetter oder vom Tatort  nur untergeordnetes Beiwerk im Hintergrund. Im Zentrum des Bildes  steht überdimensional ein Foto der „erbeuteten“ Pistole des schwerverletzten  Polizisten Martin Arnold. Diese hatte der Ersteller vorher in vielen  Varianten fotografiert (Dateiübersicht, SAO 229, 40), bevor er eine Variante  davon in das Zentrum des DVD-Abschlußbildes setzte.  Zuletzt wird meine Sichtweise auf das Motiv der Waffenbeschaffung  nicht dadurch widerlegt, daß der NSU keine Waffen gebraucht hätte, weil  er schon so viele gehabt hat. Eben. Von den über 20 Schußwaffen – von  denen bei den meisten nach wie vor völlig unklar ist, auf welchem Weg  sie zu UB/UM/BZ gelangt sind – ist es a u c h für den übergroßen Teil  unklar, welchen Nutzen diese Waffen in dieser Anzahl gehabt haben sollen.  Trotzdem sie waren da. UB war ein Waffennarr, haben wir hier des  Öfteren in der Beweisaufnahme gehört. Für ihn gab es sicher nicht den  Grund, eine Waffe zu benötigen, als Grund reichte aus, sie besitzen zu  wollen. Ich gehe davon aus, daß die Vielzahl der Waffen, die am  04.11.2011 und danach im Wohnmobil und in der Frühlingsstraße 26 gefunden wurden, von denen Herkunft und Einsatzzweck unbekannt sind,  nicht von den Dreien zufällig am Wegesrand gefunden wurden. Sie mußten  sich auch diese konspirativ und unter Umgehung gesetzlicher Verbote  beschaffen und dafür sicherlich einen fühlbaren Teil ihrer Raubbeute  aufwenden. Auch dafür ist uns bis jetzt kein rationaler Grund erkennbar.  Genausowenig wie bei den beiden Polizeipistolen von Michele Kiesewetter  und Martin Arnold.  In der Sache führt die Annahme der Waffenbeschaffung als Motiv bei  diesem Mordanschlag in Heilbronn zu keiner anderen rechtlichen Würdigung.  Der Mordanschlag geschah heimtückisch in der Begehungsweise.  Er erfolgte gleichzeitig aus niedrigen Beweggründen. Polizisten als  Gruppenangehörige (als Repräsentanten des Staates) zu ermorden, ist  ebenso verachtenswert, wie deren Ermordung, nur um an die jeweilige  Waffe zu kommen. Die Waffenbeschaffung ist ebenfalls ein Delikt, das  der gesamten terroristischen Vereinigung zuzurechnen ist, da diese Waffen  dem NSU zur Verfügung stehen sollten.  Letztlich zeigt aber auch dieses Beispiel zur schriftlichen Aussage BZs,  welchen Einsatz der Senat betreiben mußte, um in einem aufwendigen  schriftlichen Ping-Pong-Verfahren überhaupt Informationen von ihr zu  erhalten. Weiteren erheblichen Aufwand zog es dann nach sich, diese  bruchstückhaften Angaben auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen.

ff) Zum Schluß wende ich mich kurz persönlich an Sie, Frau Zschäpe.

Sie haben von 1998 bis 2011 mit UB/UM zusammenwohnt und -gelebt.  Sie sind die Einzige, die den gesamten Werdegang von sich und UB/UM  in dieser Zeit genauestens beschreiben könnte. Nur Sie könnten bislang  unbekannte Details zum Leben im Untergrund und zu den in dieser Zeit  verübten Verbrechen offenbaren. Dazu würde gehören, daß Sie den  Weg der genau abgesteckten, wochenlang vorbereiteten, schriftlichen,  von Ihren Anwälten verlesenen Erklärungen verlassen. Sie müßten persönlich  und direkt Rede und Antwort stehen und zwar allen Verfahrensbeteiligten  gegenüber. Daß dies das einzige aber auch das mindeste ist,  was Sie für die Angehörigen der Opfer tun können, wurde bereits mehrfach  erwähnt.  Kollege RA Scharmer hat Ihnen einen sinnvollen Weg aufgezeigt, auch  nach einer zu erwartenden Verurteilung darüber nachzudenken, zukünftig  dabei mitzuhelfen, die noch weißen Flecken des gesamten NSUKomplexes  vorbehaltlos aufzudecken, soweit Sie Kenntnisse dazu haben  und auf diese Weise einen Straferlaß anzustreben.  Aber es spricht nichts dagegen, dies hier und jetzt in diesem Prozeß zu  tun!  Ich halte wenig von den über Sie gemachten vielfältigen Beschreibungen,  die hier in Plädoyers oder in der medialen Berichterstattung für Sie  verwendet wurden. Ich möchte das alles zusammenfassen, aber in einem  ganz neutralen Ausdruck, der Sie meines Erachtens vollständig  charakterisiert: Frau Zschäpe, Sie sind eine sehr starke Person. Sie machen genau das, was Sie wollen, Sie lassen sich nichts vormachen, Sie  sind kein Blättchen im Winde, das andere hin- und her pusten. Das war  auch in der Zeit des Untergrunds von 1998 bis 2011 so. Das glaube ich  deshalb, weil hier nur eine ganz starke Person, die sich seit über  6 Jahren in Untersuchungshaft befindet, nunmehr 400 HTV mit disziplinierter  Fassade aushält. Eine Person, die weiß, daß am Ende eines jeden  HVTs alle am Verfahren Beteiligten wieder in ihr normales Leben  zurückkehren, ja die ein Leben jenseits des Prozesses haben. Selbst im  Unterschied zu den anderen beiden Haftfällen, RW und AE, warten auf jene immerhin Familien, Kinder, von denen sie besucht werden. Sie hingegen  haben nichts als den Trott der Wiederkehr der nächsten HVTe.  Und danach als Perspektive eine lange, sehr lange Zeit ohne Freiheit.  Ich brauche daher auch nicht das Beispiel Ihres Streits mit Ihren ersteren  Verteidigern, um zu sehen, mit welcher zielgerichteten Vehemenz Sie  sich durchsetzen können.  Aber eine starke Person bedeutet lediglich Kraft und Wille. Das entscheidende,  damit eine starke Person auch eine starke Persönlichkeit  wird, ist das Vorhandensein einer Seele! Ohne Seele werden Kraft und  Wille zum Selbstzweck. Frau Zschäpe, bedenken Sie: Das Gericht  schließt aus dieser Kraft und aus dieser Willensstärke möglicherweise  auf eine besondere Gefährlichkeit Ihrer Person. Und Sie geben den Mitgliedern  des Senats keine Chance, irgendetwas Authentisches hinter  ihrer Fassade zu erkennen.  Um dem Gericht und den Nebenklägern zu zeigen, daß sie eine Seele  haben, daß Sie ansatzweise versuchen wollen, das Leid der Opfer und der Angehörigen zu begreifen, müßten Sie sich vorbehaltlos zu ihrer Rolle  in Ihrem früheren Leben bekennen, offen und nachvollziehbar darüber  berichten, zeigen, wie Sie heute darüber denken.  Dafür bedarf es keiner anwaltlichen Strategie oder taktisch abgezirkelter  – hastig verlesener – Erklärungen. Zumal Sie selbst ahnen dürften: Die  Zeit der anwaltlichen Strategie und Taktik ist in Ihrem Fall vorbei. Mit Ihren  ersteren drei Verteidigern haben Sie eine Schweigestrategie betrieben,  die möglicherweise objektiv von der damaligen Situation her gesehen  sinnvoll gewesen sein mag. Das kann ich nicht beurteilen, weil mir  dazu das Wissen fehlt, das Sie diesen Verteidigern mitgeteilt haben.  Weiter sehe ich, daß sie Ihre Situation mit ihren neuen Verteidigern und  dem Wechsel in der Strategie keineswegs verbessert haben: Reden, ohne  etwas zu sagen, ohne etwas aufzuklären. Gedrechselte Aussagen um  das herum, was bereits offen zutage lag. Das Abschieben der alleinigen  Verantwortung auf die, die nicht mehr widersprechen können. Und das  Schlüpfen in eine bequeme Opferrolle.  Objektiv haben Sie dem Gericht und der GBA die Beweisführung in einem  erheblichen Umfang – wenn auch zu einem sehr späten Verfahrenszeitpunkt  – erleichtert, indem Sie die Taten als solche – von UB/UM  begangen – einräumten. Nur ist dadurch nicht der üblicherweise anfallende  „Geständnis-Rabatteffekt“ eingetreten, weil Sie ihre Rolle konsequent  verharmlosen und eine mittäterschaftliche Verantwortung an den  gegen Sie angeklagten Taten in Abrede stellen. Die umfangreiche Beweisaufnahme  hat das Gegenteil erbracht, Ihre Rolle im Verbund mit  UB/UM genau belegt. Wohin also hat Sie nun ihre bisherige Gesamtstrategie in diesem Verfahren  gebracht? Dahin, daß die GBA das maximale Programm gegen Sie  beantragt hat. Das Strafgesetzbuch dieses Landes hat nicht mehr zu bieten:  Lebenslang, besondere Schwere der Schuld, Sicherheitsverwahrung.  Es ist naheliegend, daß das Gericht dem folgen wird.  Zur erstgewählten Schweigestrategie können Sie auch nicht mehr zurück.  Sie sind nun an dem Punkt, an dem Ihnen kein Anwalt mehr helfen  kann! Sie können sich nur noch selbst helfen.  Der bedeutende russische Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, Fjodor Michailowitsch  Dostojewski, beschrieb in einem seiner Romane ganz treffend:

„Ein Advokat ist ein gemietetes Gewissen.“

Frau Zschäpe, haben Sie den Mut, den Ihre Situation jetzt gebietet: Brechen  Sie alle strategischen und taktischen Brücken hinter sich ab. Begeben  Sie sich auf den Weg der Einsicht und erkennen Sie: Ihr Leben ist  nicht am 04.11.2011 zum Alptraum geworden, sondern an diesem Tag  endete der Alptraum für Sie.  Nutzen Sie das einzige Ihnen noch verbleibende wirksame prozessuale  Gestaltungsmittel: Sagen Sie umfassend und wahrheitsgemäß aus.