Rechts blinken – links abbiegen

Warum es keiner Änderung des Versammlungsrechts
– auch in Coronazeiten – bedarf

Nach der Demonstration von Coronaleugnern in Leipzig beginnt wieder die Diskussion um Änderungen und Einschränkungen des Versammlungsrechts (z.B in einem Artikel im Spiegel   und dort auch in einem Kommentar von Timo Lehman). Ich kann davor nur warnen. Einschränkungen, die mit der Auseinandersetzung mit Coronaleugnern gerechtfertigt werden, treffen später linke Organisationen. Es ist selbstverständlich, dass Auflagen wie Abstand und Masken tragen zulässig sind.

Vielleicht ist es an der Zeit, noch einmal an das erste Strafrechtsänderungsgesetz zu erinnern. Als in Jahre 1950/51 die nach der Niederlage des Faschismus abgeschafften Staatsschutzparagrafen wieder eingeführt wurden, rechtfertigte die SPD dies mit dem notwendigen Kampf gegen die SRP (sozialistische Reichspartei), die sich offen in die Tradition der NSDAP stellte. Nach Verabschiedung dieses Gesetzes diente dies dann allerdings vor allen Dingen dazu, sämtliche kommunistischen Tätigkeiten zu kriminalisieren, so dass das KPD Verbot im Jahre 1956 nicht etwa der Beginn einer Verfolgung war, sondern zu diesem Zeitpunkt bereits fast alle Kommunisten entweder inhaftiert, in die DDR geflüchtet waren oder sich zurückgezogen hatten. (Mehr dazu bei Alexander von Brünneck, Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland. 1949-1968)

Das große Herz für Coronaleugner bei Polizei und Justiz in Sachsen

Der Kollege Dr. Hüttl hat auf seinem Twitter Account zwei Fotos nebeneinander gestellt. Das eine zeigt „Daumen hoch“ Polizisten bei der Demonstration der Coronaleugner

Das andere das Polizeivorgehen mit Wasserwerfer gegenüber linken Demonstranten.

Die Situation in Leipzig hätte ohne weiteres auf Boden des jetzigen Versammlungsgesetzes gelöst werden können. Das ergibt auch die nunmehr veröffentlichte Entscheidung des OVG Bautzen. Diese Entscheidung ist – selbst wenn sie nicht anfechtbar ist – schlicht falsch und beruht erkennbar auf einer wohlwollenden durch nichts zu rechtfertigenden Einschätzung der Organisatoren der Versammlung. Die Stadt Leipzig hatte die Demonstration nicht verboten, sondern nur auf einen außerhalb der Innenstadt liegenden Platz verlegt, der Veranstalter hatte allerdings erklärt, er werde dort die Veranstaltung nicht durchführen. An der Entscheidung des OVG Bautzen muss man sich vor allen Dingen zwei Passagen auf der Zunge zergehen lassen:

Wird die Versammlung – wie nach § 9 Abs. 2 SächsCoronaSchVO allein zulässig – ortsfest auf der zuletzt angemeldeten Fläche durchgeführt, so besteht zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die ohnehin anreisenden Teilnehmer dort überwiegend aufhalten und sich nicht ungeordnet auf weitere in der Innenstadt angezeigte, gleichgerichtete Versammlungen, die auf deutlich kleineren Flächen stattfinden, verteilen. Damit wäre aber im Falle der Verlegung zu rechnen, da der Antragsteller in der Antragsschrift angekündigt hat, seine Versammlung an dem ihm zugewiesenen Ort auf den Parkplätzen der Neuen Messe nicht durchzuführen. Daher ist auch zweifelhaft, ob die von der Antragsgegnerin und dem Verwaltungsgericht befürchtete Verdichtung des Versammlungsgeschehens in der Innenstadt durch die Verlagerung vermieden werden kann.

Wann hätte ein Gericht bei einer linken Demonstration schon jemals argumentiert, dass die Demonstranten ohnehin erscheinen werden und ist deshalb sicherlich besser ist, wenn sie unter Aufsicht ihre angemeldete Versammlung durchführen. Ist eine Versammlung verboten, oder wollen die Teilnehmer sich woanders versammeln als an dem bestätigten Versammlungsort, werden anreisende Busse und Fahrzeuge angehalten sobald die Teilnehmer in die Innenstadt gehen können Platzverweise erfolgen. Innerhalb der Stadt wird dann auch gegen kleinere Ansammlungen vorgegangen.

Die zweite bemerkenswerte Passage in der Entscheidung bezieht sich auf das Tragen von Masken. Diese notwendige Selbstständigkeit bei größeren Ansammlungen wird auf Veranstaltungen der Coronaleugnern systematisch ignoriert. Das ist allgemein bekannt und natürlich kann auf die Erfahrung mit entsprechenden Demonstrationen verwiesen werden, solange nicht klare und eindeutige Nachweise des Veranstalters vorliegen, dass der Maskenpflicht genüge getan wird. Das OVG Bautzen bemerkt dazu lediglich:

Sollten die Auflagen zur Höchstzahl der Teilnehmer und zum Tragen eines Mund-Nasenschutzes sowie die gebotenen Mindestabstände nicht eingehalten werden, kann dem mit Maßnahmen des Versammlungsrechts, ggf. einer Erweiterung der Versammlungsfläche auf den benachbarten Innenstadtring oder der Auflösung der Versammlung, begegnet werden.

Wir halten fest: Während offensichtlich das OVG es nicht für möglich hält, dass die Polizei eine Versammlung in der Innenstadt unterbindet, meint es ernsthaft, die Polizei könne eine Demonstration von 16-20.000 Menschen, die sich nicht an die Maskenpflicht halten, einfach auflösen.

Zusammengefasst: Es bedarf keines anderen und schärferen Versammlungsrechts, sondern ausschließlich der Durchsetzung notwendiger Auflagen im Rahmen des bestehenden Rechts.

Eberhard Reinecke