„Vom Kunden zum Angeklagten“ …..

konnte ich am 21.05.2013 auf der Hauptseite des Wirtschaftsteils des Kölner Stadtanzeigers lesen. Ein groß aufgemachter Artikel der sich mit in der Tat recht obskuren gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen der insolventen Teldafax Gruppe beschäftigte und erläuterte, wie der Insolvenzverwalter daraus noch seine Vorteile zu Lasten der ohnehin schon geprellten Kunden ziehen will. Ich war allerdings durch die Überschrift angelockt worden. Zu meiner Enttäuschung mußte ich allerdings feststellen, dass hier ein Kunde nicht zum „Angeklagten“ geworden war, sondern einfach nur zum „Beklagten“.

Ein Beklagter ist kein Angeklagter

Nun erhält man gelegentlich sehr aufgeregte Anrufe, in denen Mandanten ihr Leid klagen, dass sie „angeklagt“ sind. Es bedarf häufig etwas Zeit um zu erklären, dass ein zivilrechtlicher Beklagter nichts mit einem strafrechtlichen Angeklagten zu tun hat. Schließlich kann jeder auch bei noch zu unbegründeten Forderungen jemand anderen verklagen und so zum „Angeklagten“ machen, unabhängig davon, wie (un)begründet die Klage ist. Zum strafrechtlichen  „Angeklagten“ (der im übrigen eigentlich bis zur Zulassung der Anklage durch das Gericht „Beschuldigter“ heisst) wird man allerdings nur nach einer (mehr oder weniger sorgfältigen) Prüfung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Zivilrechtlich kann es sogar Zufall sein, ob wegen ein und desselben Sachverhaltes jemand Kläger oder Beklagter ist. Mindert der Mieter seine Miete, dann kann der Vermieter (versuchen) über das Gericht die nicht gezahlte Miete geltend zu machen. Der Mieter ist dann „Beklagter“. Wartet der Vermieter hingegen das Ende des Mietverhältnisses ab und zieht dann die geminderte Miete von der Kaution ab, muss der Mieter den Vermieter verklagen wenn er seine Kaution zurück haben will. So ist dann plötzlich der Vermieter „Beklagter“. In der Sache allerdings geht es jedes mal um dasselbe, nämlich um die Frage, ob die Minderung zu Recht erfolgt ist oder nicht.

 Unwissenheit oder bewusstes Aufmotzen?

War also auch der Redakteur des Kölner Stadtanzeigers nur einer von denen, die zwischen einem zivilrechtlichen Beklagten und einem strafrechtlichen Angeklagten nicht unterscheiden können? Wir wissen dies nicht. Auf jeden Fall klingt die Überschrift „Vom Kunden zum Angeklagten“ deutlich reißerischer als eine Überschrift „Vom Kunden zum Beklagten“. Blickt man in die Justizstatistik, so ist „Vom Kunden zum Beklagten“ sicherlich keine Meldung. Im Jahr 2011 gab es im Land NRW knapp 2 Mio. Mahnverfahren, ungefähr 300.000 gerichtliche Verfahren beim Amtsgericht (ohne Familiensachen) und knapp 100.000 beim Landgericht . Allein das Mahnverfahren macht also etwa das 5-fache dessen aus, womit sich ansonsten die Ziviljustiz befaßt. Nun ist es ohne Zweifel wahrscheinlich, dass die große Masse der Mahnverfahren Fälle umfaßt, in denen „Kunden zum Angeklagten“ werden. Ob Versandhäuser, Telefongesellschaften oder Energieversorgungsunternehmen alle zusammen machen das Gros der Mahnverfahren aus, zumeist weil die ehemaligen Kunden – zumindest nach Meinung der Gesellschaften  – ihre Rechnungen nicht oder nicht vollständig gezahlt haben. Wenn man es genau überlegt, werden aber also – in der Diktion des Stadtanzeigers – mindestens eine Mio. Menschen in NRW jährlich „vom Kunden zum Angeklagten“ (manche wahrscheinlich sogar mehrfach), richtigerweise allerdings nur vom Kunden zum Beklagten. Das wäre also nun wirklich keine große Meldung wert. Vielleicht ist also diese Überschrift nicht einfach der Unwissenheit des Redakteurs geschuldet, sondern seinem Versuch dem Artikel eine reißerische Überschrift zu geben (was bei mir sogar erfolgreich war, da ich den Wirtschaftsteil vom Stadtanzeiger nur selten lese).

Eberhard Reinecke