BGH erschwert Minderung bei Bauarbeiten in der Umgebung der Wohnung

Kurz kommentiertBGH VIII ZR 31.18

Es ist immer bitter, wenn alte Gewissheiten zerstört werden. Als ich 1974 mein zweites Staatsexamen bestanden hatte, war ich zunächst als Berater im Hamburger Mieterverein tätig. Als erstes lernte ich dort auch Grundlegendes über die mietrechtliche Minderung:

– Das Minderungsrecht muss nicht gesondert ausgeübt werden, wenn ein Mangel vorhanden ist, tritt die Minderung der Miete automatisch ein, wenn der Vermieter vom Mangel unterrichtet wird oder ohnehin den Mangel kennt (gilt auch noch heute)

– Die Minderung muss auch nicht vorher angekündigt werden (gilt auch noch heute)

– Solange der Mieter den Mangel nicht selbst herbeigeführt hat, ist die Mietminderung möglich, da es völlig ohne Bedeutung ist, ob der Vermieter für den Mangel „etwas kann“.

– Die Minderung ist schlicht ein Ausgleich dafür, dass die Äquivalenz des Mietverhältnisses nicht mehr stimmt, d. h. die Miete für eine mangelfreie Wohnung regelmäßig höher ist als die Miete bei einer Wohnung mit Mängeln.

– Dementsprechend ist diese Äquivalenz auch gestört, wenn z.B. auf dem Nachbargrundstück gebaut wird und dadurch Krach, Dreck und Probleme beim Zugang zum Haus entstehen. Regelmäßig gab es hier bei den Gerichten eine Mietminderung von 10-20 %. Dass der Vermieter für den Bau auf dem Nachbargrundstück nix kann, war für die Mietminderung unwichtig.

Hier hat nun der BGH in der oben zitierten (42 Seiten starken) Entscheidung das Minderungsrecht weiter eingeschränkt. (Weil diese Rubrik „kurz“ kommentiert heißt, will auch versuchen, mich kurz zu fassen). Wenn nämlich der Vermieter seinerseits keine Unterlassungs- oder Entschädigungsansprüche gegenüber dem bauenden Nachbarn hat, kann auch normalerweise der Mieter keine Minderungsansprüche geltend machen. Damit wird das Äquivalenzprinzip ausgehebelt.

Der Mieter kann dieses Ergebnis nur dadurch vermeiden, dass er mit dem Vermieter eine „Beschaffenheitsvereinbarung“ trifft, d. h. im Mietvertrag festschreibt, dass er Wert darauf legt, dass es sich um eine Wohnung frei von Baulärm oder Dreck auf Nachbargrundstücken handelt. Der vom BGH entschiedene Fall spielt in Berlin, auch in anderen deutschen Großstädten würde es allerdings wohl eher Heiterkeit auf Vermieter- oder Maklerseite auslösen, wenn ein Mieter derartiges in den Mietvertrag schreiben will. Damit ist also regelmäßig das Minderungsrecht bei solchen Belästigungen auf Nachbargrundstücken ausgeschlossen.

Wer aber trotzdem in dieser Situation mindern will, sollte nicht nur über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, sondern muss sich auch noch andere Arbeiten machen: Zum einen eine sehr konkrete Darstellung der Lärm und Schmutzbelästigung, da nach Meinung des BGH es auch dafür keine allgemeinen Erfahrungssätze gelten können, vor allen Dingen muss der Mieter (oder besser sein Anwalt) sich Gedanken darüber machen, ob der Vermieter sich beim bauenden Nachbarn schadlos halten kann. Gibt es Anhaltspunkte dafür, so muss dann allerdings der Vermieter den Nachweis führen, dass Ansprüche gegen den Nachbarn nicht bestehen. Mit anderen Worten der Mieter müsste in seine Minderungsprozess gleichzeitig dem Vermieter Hinweise geben, dass der doch mit einem Prozess gegen den Nachbarn erfolgreich sein kann.

Die Entscheidung des BGH reiht sich viele Entscheidungen ein, in denen frühere Gewissheiten zu Minderung gekippt wurden. Besonders wichtig ist dabei, dass nach der Rechtsprechung des BGH der Mieter für eine überhöhte Minderung haftet, d. h. durchaus bei längerer und überhöhter Minderung eine Situation eintreten kann, in der der Vermieter die Kündigung des Mietverhältnisses erklären kann. Die Minderung als Druckmittel auf den Vermieter ist damit praktisch obsolet, da ein anwaltlicher Rat nur dahingehend kann, dass der Vermieter auf die Mängel hingewiesen wird und in Höhe der zulässigen Minderung die Miete unter Vorbehalt gezahlt wird. Man zahlt also erst die volle Miete und fordert dann die Zuvielzahlung zurück. Man kann dann diesen Prozess (ganz oder teilweise) verlieren, man muss aber nicht befürchten deswegen gekündigt zu werden.

Eberhard Reinecke