Kriminelle Vereinigung hier – VeRWEigerung der Strafverfolgung dort

Man kann schon nicht mehr hören, wenn diverse Politiker mit Schaum vorm Mund rumlaufen, weil die „Letzte Generation“ sich festklebt, oder Essen auf durch Glasscheiben geschützte Kunstwerke wirft und eine Staatsanwaltschaft sich dafür hergibt, einen Verdacht wegen einer kriminellen Vereinigung in die Welt zu setzen. Auch die onkelhaften angeblich wohlmeinende Hinweise von GRÜNEN und SPD, dass die „Letzte Generation“ mit ihren Aktionen vom Klimaschutz ablenkt und deshalb ihren eigenen Zielen schadet, sind natürlich falsch. Ich habe großen Aspekt vor dem moralischen Rigorismus dieser meist jungen Menschen, die genau wissen, dass es keine Zivilcourage zum Nulltarif gibt. Man kann gar nicht bestreiten, dass gerade die scheinbare Radikalität der Aktionen die Bedrohung der Menschheit durch Klimaerwärmung sehr klarmacht. Und wie harmlos ist diese Diskussion gegenüber der Frage, ob auch Gewalt gegen verantwortliche Politiker, die das Schicksal der Erde in der Hand haben, gerechtfertigt sein kann. Der Philosoph Günther Anders (ein von den Nazis vertriebener Jude, der zeitweise mit Hannah Arendt verheiratet war) hat vor ziemlich genau 35 Jahren diese Diskussion angestoßen und wer will kann dazu noch einige Reste im Netz finden, so ein Teil des Interviews, und zumindest Buchtitel und Inhalt zu dieser Diskussion. Man mag sich gar nicht vorstellen, was heute bei einer solchen Diskussion los wäre. Nun wird niemand bestreiten, dass das Ertränken eines Menschen in der Badewanne nicht nur strafbar ist, sondern natürlich dem Täter auch mit allen Mitteln in den Arm gefallen werden darf. Wenn nun aber die Weltmeere die Badewanne sind und durch die Erhöhung der Meeresspiegels einzelne Inseln schon bald untergehen werden und dabei auch diverse Menschen genauso erbärmlich ertrinken werden, dann darf dieser absehbaren Katastrophe niemand in den Arm fallen.

VeRWEigerung der Strafverfolgung gegen RWE

Ganz im Gegensatz zu diesem vom schlechten Gewissen diktierten Vorgehen gegen die „Letzte Generation“ steht die Untätigkeit der Staatsanwaltschaft gegenüber denjenigen, die durch die Kohleverstromung das Weltklima zerstören und an deren Händen jetzt schon das Blut von hunderttausenden von Menschen klebt. Schon im Jahr 2018 hatte ich hier darüber berichtet, dass eine Reihe von Rechtsanwälten, den ich mich angeschlossen hatte, Strafanzeige gegen RWE wegen der Zerstörung des Klimas und den damit notwendig verbundenen Todesfällen weit weltweit gestellt haben. Die damals zuständige Staatsanwaltschaft Essen und Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat die Verfahren eingestellt und nicht etwa die Frage aufgeworfen, ob der Vorstand von RWE eine kriminelle Vereinigung sei.

Nachdem seit 2018 der Nachweis für die Kausalität zwischen dem Treiben von RWE und anderen, der Klimaveränderung und den damit notwendig einhergehenden Todesfällen noch sehr viel leichter geworden ist, ist diese Strafanzeige nunmehr neu gestellt worden. Diese kann hier nachgelesen werden.

In dieser Anzeige werden nicht nur neuere und weitere wissenschaftliche Erkenntnisse eingearbeitet, sondern auch die Verantwortung von RWE für Tote durch Feinstaubbelastung dargestellt sowie auch die Tatsache, dass die durch RWE und andere produzierte Klimaveränderung mittlerweile nicht nur auf der Südhalbkugel der Erde zu unzähligen Naturkatastrophen und Toten führt, sondern die Auswirkungen mit den Toten im Ahrtal auch unmittelbar vor unserer Tür erfahrbar sind.

Es wäre begrüßenswert, wenn die Ressourcen der Strafverfolgung nicht an der Frage ausgerichtet werden, welche Delikte sich leichter feststellen lassen sondern an der Frage, welche Tätigkeiten für das Zusammenleben der Menschheit besonders schädlich sind.

Eberhard Reinecke